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Die Katze riecht Lunte

Die Katze riecht Lunte

Titel: Die Katze riecht Lunte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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hatte sich im Wald verirrt und das für gewöhnlich friedliche Tier gereizt, ohne jedoch zu wissen, wodurch. Er wusste lediglich, dass ein Schwarzbär hinter ihm herrannte. Zum Glück hatte er sein .22er Gewehr bei sich, aber es war zu leicht, um das Tier zu erlegen. Er wartete ganz ruhig, schoss und traf den Bären ins Auge. Das Tier war auf der Stelle tot. Da fing er am ganzen Leib an zu zittern. Sein Daddy hatte ihn dank des Gewehrfeuers gefunden.
    Archie Ingram nahm am Kamin Platz.
    »Ich mach’s kurz, Herb. Ich habe eine Affäre. Meine Frau ahnt etwas. Früher oder später wird es mir um die Ohren fliegen. Obwohl wir uns auseinandergelebt haben, weiß ich, dass ich eine gute Frau habe, aber … ich kann irgendwie nicht anders. Und das Komische ist, ich habe keine Schuldgefühle.«
    Herb schenkte Archie und sich selbst ein kleines Glas Portwein ein, einen 1972er Dow. Portwein und eine gute Zigarre bildeten den vollendeten Abschluss eines Abends. Den Zigarren hatte er abgeschworen, und er vermisste sie bitterlich, aber sein abendliches Glas Portwein gönnte er sich nach wie vor. In seinem kleinen Weinkeller verwahrte er eine Flasche 1937er Cockburn. Er hob sie für eine besondere Gelegenheit auf, fand aber keine, die besonders genug war.
    Er hielt das Glas in der Hand, bewunderte die rubinrote Farbe, die zum Leben erwachte, als der Feuerschein durch das Glas flackerte. »Archie, wir kennen uns schon lange.«
    »Das stimmt.«
    »Wie alt sind Sie jetzt?«
    »Dreiundvierzig.«
    Herb trank einen Schluck, lehnte sich zurück und überlegte eine Weile. »Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie Wein entsteht?«
    »Bauern trampeln auf Trauben herum.«
    Herb lachte. »Man könnte wohl sagen, den Trauben wird übel mitgespielt und sie werden gequält, doch aus diesem Leiden, Hand in Hand mit der Zeit, entsteht ein edles, tröstendes Nass. Ich mag Portwein. Ich habe Flaschen neueren Datums – sagen wir, zehn Jahre alt – und weiter zurück bis 1937. Portwein wird mit dem Alter immer besser. Der Mensch auch. Sie sind augenblicklich angeschlagen.«
    »Nur, dass ich es bin, der die Sünde begeht.«
    »Durch die Sünde verletzen Sie sich selbst mehr als irgendjemand anderen. Es gibt Menschen, die das nie begreifen. Sie sind in einem empfindlichen Alter.«
    »Ja, die Jugend meldet sich ab …«
    »Und hinterlässt keine Nachsendeadresse.« Herb lachte. »Es ist eine schwere Zeit für Männer wie für Frauen. Wirkt sich aber ganz verschieden auf uns aus. So viele Ehen gehen in die Brüche.«
    »Ich möchte meine Frau nicht verlieren.«
    »Dann trennen Sie sich am besten von der anderen.«
    Schweiß rann Archie übers Gesicht. »Ich weiß. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, sage ich mir, das war’s … mach Schluss, und dann -«
    »Jünger?«
    »Ein bisschen«, gab Archie zu.
    Ein wehmütiges Lächeln ging über das breite Gesicht des Geistlichen. »Sie kennen doch den feministischen Witz: ›Als Gott den Mann schuf, übte sie nur.‹ Ich halte mich nicht für einen Feministen, aber hierin stimme ich zu.« Er hielt inne. »Arch, es gibt keinen Mann auf Erden, der nicht irgendwann in seinem Leben zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen war. Und wahrscheinlich gibt es keine Frau auf Erden, die nicht irgendwann in ihrem Leben zwischen zwei Männern hin- und hergerissen war. Beten Sie um Unterweisung. Überlegen Sie, was Sie zu der anderen Frau hingezogen hat und was sie zu Ihnen hingezogen hat. Die Antwort wird Sie vielleicht überraschen.«
    »Soll ich es Aileen sagen?«
    »Das kann ich nicht beantworten.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Archie leerte sein Glas. »Verrückte Zeit.«
    »Sie haben in letzter Zeit eine Menge Federn lassen müssen. Ich sage immer, es ist leicht, ein Engel zu sein, wenn einem niemand die Federn rupft.«
    Archie stellte sein Glas vorsichtig auf den Untersetzer. »Alle wollen etwas, stimmt’s?«
    »Meistens, ja. Gegenleistungen sind sinnvoll in der Geschäftswelt, aber in der spirituellen Welt haben sie keine Bedeutung. Gottes Liebe ist bedingungslos.«
    Archie lächelte matt. Er hätte das gern geglaubt, konnte es aber nicht. Trotzdem hatte ihm das Gespräch mit Herb geholfen. Er hatte jetzt das Gefühl, mit der Zeit irgendwie klarkommen zu können.
    Als Herb Archie die Tür aufhielt und ihm zum Abschied winkte, merkte er, wie kalt es war. Der Mai konnte vertrackt sein.

 
13
     
    Mrs Murphy lief an den in Dunkelheit gehüllten Feldern entlang und umrundete den Bach,

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