Die Katze riecht Lunte
wär’s lieber, dir fehlt nichts.«
»Mir fehlt nichts.« Mrs Murphys Fell war noch gesträubt.
Tucker, die um die andere Seite des Stalls gelaufen war für den Fall, dass der Rotluchs ein Täuschungsmanöver hingelegt hatte, kam von hinten durch den Mittelgang getrabt.
»Tapferer Hund.« Harry tätschelte ihr den breiten Kopf.
Tucker zuckte die Achseln. »Ich bin ein Corgi.«
»Danke, Tucker. Du hast was gut bei mir.« Mrs Murphy sprang herunter und rieb sich an Tuckers Seite.
Die drei gingen ins Haus. Harry schritt kräftig aus, weil ihre nackten Füße kalt waren.
Pewter begrüßte sie an der Tür. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht weit vom Stall jagen!«
»Du bist drinnen geblieben, Hasenfuß.«
»Ich wäre rausgekommen und hätte gekämpft, wenn ich gemusst hätte«, grollte sie.
Ja wirklich, Pewter konnte eine Löwin sein, wenn es sein musste.
Mrs Murphy lachte, nun, da die Gefahr vorüber war. »Das war knapp.«
Harry war nun hellwach. Während sie die Tiere fütterte, kochte sie Kaffee. Sie war auf dem Land groß geworden und kannte sich mit Raubtieren aus. Sie wusste, dass das Blatt sich von einer Sekunde zur nächsten wenden konnte. Ein falscher Schritt, und man wurde von einem größeren Tier zum Frühstück verzehrt – oder von einem kleineren, wenn es klug und kräftig genug war.
14
Oak Ridge erhebt sich inmitten von Ländereien südlich von Lovingston, Virginia. Das Gut, im Jahre 1802 von einem Veteranen des Unabhängigkeitskrieges erbaut, der der Familie Rives aus Albemarle entstammte, war von den verheerenden Auf- und Abschwüngen eines unregulierten Kapitalismus schwer gebeutelt worden. Der Gründer von Oak Ridge ritt auf der Wirtschaft wie auf Wellen. Seine Nachkommen hatten nicht so viel Glück, und im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts wechselte das Anwesen mehrmals den Besitzer, bald zum Guten, bald zum Schlechten.
Schließlich machte der 1851 nahe Oak Ridge geborene Thomas Fortune Ryan an der New Yorker Börse ein Vermögen und kaufte den Besitz, den er von seiner ärmlichen Kindheit her in Erinnerung hatte. Damals, im Jahre 1904, war Ryan der drittreichste Mann in Amerika – es war echter Reichtum, denn ein Finanzamt gab es noch nicht.
Er machte sich daran, ein prachtvolles Landgut zu schaffen, nicht nach dem Vorbild von Blenheim Palace in Oxfordshire, das einst den Marlboroughs gehörte, sondern Virginia angemessen, was bedeutete, dass er die Proportionen im Auge behielt. Das Wohnhaus hatte eine Fläche von 800 Quadratmetern; achtzig kleinere Gebäude sowie Ställe und Wassertürme vervollständigten das Anwesen. Unterhalb des Wohnhauses stand ein Gewächshaus, eine kleinere Kopie von Londons berühmtem Kristallpalast.
Das Ganze trug die Handschrift eines selbstherrlichen, besitzgierigen Gemüts. Eine Eichenallee führte den Besucher von der Straße zum Haupthaus – zur nach Norden weisenden Rückseite des Hauses. Der prächtigere Eingang befand sich auf der Südseite gegenüber den Bahngleisen, denn Mr Ryan pflegte in seinem luxuriösen Privatwaggon von New York zu seinem Landsitz zu reisen. Einspänner, Phaetons, Cabs und der gelegentliche Vierspänner mussten hinten vorfahren.
Heute, da die Glanzzeit der Eisenbahn vorüber war, näherte man sich der rückwärtigen Seite auf der Route 653, der Schnellstraße nach Shipman.
Die Schlachtennachsteller kampierten auf dem mehrere Quadratkilometer umfassenden Rasen und ehemaligen Golfplatz. Ihre Pyramiden-Zelte ähnelten Tipis; gewöhnliche Zelte und größere Offizierszelte zierten die Grünfläche wie überdimensionale Papiertücher.
Die Männer mussten einen knappen Kilometer zu der Eiche zurücklegen, deren Alter auf 38o Jahre geschätzt wurde. Die Yankees würden aus dem Ostwald hervorbrechen, der die episkopalische Dreifaltigkeitskirche umgab, während die Südstaatler von Mrs Wrights Kornfeldern her gen Norden marschieren würden.
Die Zuschauer hatten von der Eiche aus die beste Sicht, was die Möglichkeit eines Ansturms auf das Haupthaus verringerte.
Dass sich so viele Menschen auf ihrem Rasen einfanden, bereitete der zierlichen, hübschen Rhonda Holland einige Unannehmlichkeiten, aber sie trug es mit Fassung. John, ihr dynamischer Ehemann, vergnügte sich damit, durch die ordentlichen Zeltreihen zu schlendern und mit den Burschen zu plaudern, die Gewehre reinigten, fiedelten und sangen. John, ein geselliger Mann mit einem Schlapphut aus Stroh, hatte mit Oak Ridge ähnlich Großartiges vor wie einst
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