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Die Katze riecht Lunte

Die Katze riecht Lunte

Titel: Die Katze riecht Lunte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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herrische Nichte würde die Situation dazu nutzen, sich wieder einmal einzumischen.
    Auf ihren Stock gestützt, die Hand um den silbernen Hundekopf geklammert, stelzte Tally auf Harry zu.
    »Ich weiß nicht mehr als Sie.« Harry zuckte die Achseln.
    »Sie wissen viel weniger.« Tally zeigte mit ihrem Stock auf Harry. »Sie sagen, Sie haben diese Halunken bis hierher verfolgt?«
    »Ich bin kein Halunke«, kläffte Tucker.
    »Sie haben mich direkt zu der Scheune geführt.«
    Tally betrachtete die Tiere zu Harrys Füßen.
    »Tiere wissen manchmal allerhand. Ihre Mutter hatte ein großartiges Gespür für Tiere. Sie konnte zu ihnen sprechen, und ich schwöre, sie haben geantwortet«, sagte Tally. Ein Anflug von Melancholie lag für einen Moment in ihrem Lächeln. Dann straffte sie sich und fasste Harry wieder ins Auge. »Man gewöhnt sich dran. Bis Sie so alt sind wie ich, sind alle tot. Tot. Tot. Tot. Was geschehen ist, ist geschehen, da helfen keine Tränen.« Sie verschnaufte kurz. »Und wenn Sie mich fragen, Tommy Van Allen ist auch tot.«
    Rick, der bislang respektvoll geschwiegen hatte, fragte: »Warum sagen Sie das, Ma’am?«
    »Tommy Van Allen ist eine wilde Ratte. Er wäre hier, wenn er noch lebte.«
    »Manche glauben, er hat mit Drogen gehandelt, hat kräftig abgesahnt und sich aus dem Staub gemacht«, erklärte Rick.
    »Dummes Zeug.«
    »Ma’am?«
    »Er nimmt vielleicht Drogen. Verkaufen würde er sie nicht. Der Knabe war allerhand, aber bestimmt nicht blöd. Er würde niemals Drogen verkaufen.« Sie wies mit ihrem Stock auf Ricks Brust. »Jedes Mal, wenn in dieser Gegend was passiert, schreien alle ›Drogen‹. Zu viel Fernsehen.« Sie wandte sich an Harry. »Sie sind ein naseweises Ding. Waren Sie immer. Liegt im Blut. Ihr Urgroßvater war naseweis.«
    »Welcher?«
    »Biddy Minor. Der attraktivste Mann, den ich je erblickt habe. Wollte aber immer alles wissen. Das hat ihn umgebracht.«
    Rick, der sich eingehend mit den Verbrechen der Gegend befasst hatte, sagte vorsichtig, da offener Widerspruch natürlich nicht geduldet wurde: »Das wurde nie bewiesen.«
    Sie hob eine Augenbraue, ließ sich kaum dazu herab, sein Geplapper zu widerlegen. »Beweisen und wissen sind zwei Paar Schuhe, Sheriff. Genau, wie ich weiß, dass Tommy Van Allen tot ist. Ich weiß es. Sie müssen es beweisen, nehme ich an.«
    »Ma’am, ohne Beweis können wir niemanden verurteilen.«
    »Verurteilen?« Sie hob die dünne Stimme. »Man verurteilt sie – und in sechs Monaten sind sie wieder auf freiem Fuß.«
    Rick wurde rot. »Miss Tally, ich empfinde ganz genauso, aber ich muss meiner Arbeit nachgehen. Ich bin im Dienst.«
    Sie wurde sanfter. »Allerdings, das sind Sie. So – was möchten Sie sonst noch wissen?«
    »Können Sie sich vorstellen, weshalb jemand Tommy Van Allen ermorden wollte?«
    Sie wurde nachdenklich. »Nicht mehr als irgendjemand anderen. Damit meine ich, auch er hatte zornige Exfreundinnen, auch er kannte Menschen, die ihn schlichtweg nicht leiden konnten.«
    »Können Sie sich vorstellen, weshalb jemand Sir H. Vane-Tempest erschießen wollte?«
    »Dieser aufgeblasene Esel.« Sie hob die knochigen Schultern. »Sie werden doch wohl meine Nachbarn befragen? Einer von ihnen hat bestimmt das Flugzeug gehört.«
    »Wir werden mit allen sprechen«, versicherte Rick.
    Das Knirschen von Reifen auf Kies veranlasste alle, die Köpfe dem Bentley Turbo R zuzuwenden, der in die offene Scheune gefahren kam. Tucker bellte, als der Motor abgestellt wurde und sich ein elegantes Bein vom Fahrersitz schwang. »Mimi!« Der kleine Hund eilte hinzu, um die hochmütige Mim zu begrüßen, die gleichwohl Hunde liebte. Sie bückte sich, um Tucker den Kopf zu tätscheln, und der Hund heftete sich fröhlich an ihre Fersen.
    »Komm ja nicht auf die Idee, mir zu sagen, was ich zu tun habe.« Tally schob die Unterlippe vor.
    »Keine Bange. Ich bin hergekommen, um zu helfen.« Mim blieb stehen, um das Flugzeug zu betrachten. »Alle Achtung«, sagte sie leise.
    »Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, gehe ich jetzt.« Harry bewegte sich auf das offene Tor zu.
    »Gehen Sie nur.« Sheriff Shaw nickte.
    Cynthia rief ihr zu: »Wir sprechen uns später.«
    Miss Tally legte ihre linke Hand auf Harrys Arm. Ihr schmaler Trauring glänzte. »Mary Minor, Sie glauben doch nicht die Geschichte, dass mein Bruder Ihren Urgroßpapa erschossen hat, weil Biddy drauf und dran war, seinen Destillierapparat zu entdecken, oder?«
    »Nein.«
    Sie nickte zufrieden.

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