Die Katze riecht Lunte
beschnupperte die Tür auf der Fahrerseite, die Reifen, die Vorder- und Rückseite des Gefährts. Sie erwartete nicht, etwas zu finden – es war einfach die Macht der Gewohnheit.
Auf den Hinterbeinen stehend, richtete sie sich zu voller Größe auf, um zum Fenster auf der Fahrerseite hineinzusehen. Der Zündschlüssel steckte.
»Mrs Murphy«, rief Harry.
Die Katze flitzte zurück zum Transporter. Miranda saß schon auf dem Beifahrersitz, Tucker war zwischen ihr und Harry eingekeilt. Die Katze sprang auf Harrys Schoß und kuschelte sich dann neben Tucker.
Harry setzte zurück und steuerte auf die Stadt zu. »Es war lieb von Aileen Ingram vorbeizukommen, wo sie doch selbst so viel Ärger hat.«
»Archie muss sich dem Herrn zuwenden. Wie viel deutlicher muss Seine Botschaft denn noch werden?«
»Miranda, wer heutzutage in Schwierigkeiten ist, wendet sich, wenn überhaupt, an einen Therapeuten.«
»Vergeblich.«
»Wer weiß.« Sie überholten Boom Boom und winkten. »Mein lebender Beweis.«
»Hmm.« Miranda ließ die Gelegenheit verstreichen, Harry wegen ihrer spöttischen Haltung Boom Boom gegenüber zu maßregeln. »Aileen war wohl auf dem Weg, Archie gegen Kaution rauszuholen.«
»Vernünftiger wäre, ihn drin zu lassen.«
Miranda zitierte Matthäus 23, Vers 12: »›Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.‹«
»Ist Ihnen das gerade so eingefallen, oder bezwecken Sie etwas damit?«
»Harry, seien Sie nicht so hässlich.«
»Tut mir leid. Sie haben recht.« Sie seufzte schwer. »Ich bin ganz durcheinander. Mit anzusehen, wie die arme Mrs Dodds zusammenbricht – und was wird nun aus ihr? Wer weiß, was in Tommys Testament steht, wenn er überhaupt eins gemacht hat.«
»Hat er. Man leitet keine große Baufirma, ohne sich um dergleichen zu kümmern. Vermutlich hatte er auch eine happige Versicherungspolice. Ich nehme an, das geht alles an Jessica, auch wenn sie sich getrennt haben.«
»Er hätte sein Testament ändern können.«
»Ja, aber sie sind noch nicht rechtmäßig geschieden.«
»Was hat Sie auf den Bibelvers über den Stolz gebracht?«
»Oh.« Mrs Hogendobber hatte vergessen, auf Harrys Frage zu antworten. »Tommy, H. Vane, Blair und sogar Archie. Ridley gehörte kurze Zeit auch dazu. Es ist ein Klub der reichen Jungs. Teure Sportwagen, Flugzeuge -«
»Archie hat gar nicht so viel Geld«, unterbrach Harry sie.
»Genug für einen Land-Dingsbums.«
»Land Rover.« Harry hielt inne. »Daran habe ich nie gedacht. Ich meine, der Wagen wirkte sehr diskret. Weiß.«
Cynthia Coopers Streifenwagen stand vor der Bank, obwohl es nach Schalterschluss war. Harry fuhr auf den Parkplatz und hielt vor dem alten frei stehenden Ziegelgebäude.
»Hi.«
»Selber Hi.« Cynthia kurbelte ihr Fenster herunter.
»Wir kommen gerade von Tommy Van Allens Haus. Die arme Mrs Dodds.«
»Und Aileen Ingram war dort, um zu helfen.« Miranda sprach über die Köpfe der Tiere hinweg.
»Sie kann Archie erst morgen rausholen.«
»Was?«, sagten beide Frauen.
»Der Richter lässt vorher keine Kaution zu.«
»Kann er das?«, wollte Harry wissen.
»Er kann tun, was er will. Er ist der Richter.« Coop lächelte.
»Sie hatten einen schweren Tag«, sagte Miranda mitfühlend.
»Hab schon bessere gehabt.« Cooper lächelte matt.
Alle wandten die Köpfe, als Sarah Vane-Tempest mit H. Vane-Tempest auf dem Beifahrersitz vorüberfuhr. »Er ist bemerkenswert schnell genesen«, bemerkte Miranda.
»Für wie lange?«, war Mrs Murphys ominöse Frage.
31
Sir H. Vane-Tempest hatte sich so weit erholt, dass er mit seiner Frau streiten konnte. Sie hatte angefangen.
»Warum schützt du ihn?« Sarah warf ihr schulterlanges Blondhaar zurück.
»Ich schütze ihn nicht.«
»Der Mann wollte dich umbringen. Ich bestehe darauf, dass du ihn verklagst.«
»Sarah, Schatz, er war hinter mir. Hunderte Männer waren hinter mir. Jeder könnte den Schuss abgegeben haben.«
»Archie hatte was gegen dich. Die anderen nicht. Warum schützt du ihn?«
»Ich schütze ihn nicht.«
»Was dann?« Sie saß ihm gegenüber, er ruhte auf dem Sofa; diese Auseinandersetzung nahm ihn mehr mit als seine körperliche Verletzung.
»Nichts. Kannst du mir bitte einen richtigen Tee machen? Das lauwarme Spülwasser im Krankenhaus war ungenießbar.«
Wütend, aber beherrscht ging Sarah in die Küche. Es war halb sieben am Abend, und Hausmädchen und Köchin waren schon gegangen. Doch einen
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