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Die Katze riecht Lunte

Die Katze riecht Lunte

Titel: Die Katze riecht Lunte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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belebenden Tee konnte sie auch ohne Hilfe aufbrühen. Sie maß die irische Mischung ab und gab die Blätter in den Keramikeinsatz der Brown-Betty-Teekanne. Sie schüttelte den Kopf, als müsse sie sich besinnen, und holte zwei zierliche Porzellantassen mit feinem rose-goldenen Rand hervor, die einst H. Vanes Mutter gehört hatten. Sie hoffte, der Anblick der Tassen würde seine Stimmung heben.
    Er strahlte hingebungsvoll, als sie den Teewagen hereinrollte. Hörnchen, verschiedene Marmeladen, Landbutter und kleine Sandwiches mit Brunnenkresse waren spiralförmig auf einer Platte angerichtet, ein Windrad aus Leckereien. Die Köchin bereitete Hörnchen und Tee-Sandwiches jeden Tag frisch zu. Die Vane-Tempests huldigten der kultivierten Tradition der nachmittäglichen Teezeremonie.
    Begierig griff er nach der Tasse mit dem anregenden Trank.
    Er gab einen gestrichenen Teelöffel braunen Zucker in die Tasse und nahm einen Schluck.
    »Ah.« Genüsslich schloss er die Augen. »Schatz, du bist unübertrefflich.«
    »Danke.« Sie trank ihren Tee.
    »Meine Mutter hat dieses Porzellan geliebt. Es war ein Hochzeitsgeschenk von ihrer Tante Davida. Tante Davida war vor dem Ersten Weltkrieg als Missionarin in China gewesen. Meiner Meinung nach hatte sie einen kleinen Knacks weg, aber ihr Porzellan hatte keinen.« In Erwartung eines anerkennenden Kicherns hob er die Augenbrauen.
    Sarah lächelte pflichtschuldig. »H., du bist schrecklich.«
    Aufgemuntert erwiderte er: »Du würdest mich nicht anders haben wollen.«
    Sarah hätte am liebsten gesagt, vierzig Pfund leichter, mit vollem Haar und vielleicht zwanzig Jahre jünger wären mir lieber. Manche Wünsche blieben besser unausgesprochen. »Liebling, du hast recht. Vom ersten Augenblick an, als ich dich sah, wusste ich, dass ich ohne dich nicht leben könnte.«
    Er knabberte an einem Hörnchen. »Manches machen die Amerikaner hervorragend. Flugzeuge zum Beispiel. Sie bauen gute Flugzeuge. Aber anständige Hörnchen kriegen sie nicht hin, und sie haben keine Ahnung, wie man cremige Devonshire-Sahne herstellt. Komisch.«
    »Aber dafür hast du dir doch eine schottische Köchin mitgebracht.«
    »Genau.« Er nahm sich noch ein Hörnchen. »Sie wollen ihr Land wiederhaben. Im Krankenhaus habe ich die Zeitungen von vorne bis hinten durchgelesen. Bloß weil ich leicht indisponiert war, brauchte ich ja meine Gewohnheiten nicht zu ändern. Warum England Schottland oder Wales überhaupt behalten will, ist mir schleierhaft. Und Irland? Pfft.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Deswegen leben wir hier.«
    »Ja. Allerdings müssen wir uns hier das Gemecker der Unterprivilegierten anhören, farbig durchsetzt, wie sie sind. Albern.«
    »Für sie nicht«, erwiderte Sarah eine Spur zu scharf.
    »Hast du dir etwa die Reden des Martin Luther King zu Gemüte geführt, mein Herz?«
    Sie hatte sich wieder gefasst. »Nein. Ich wollte nur sagen, einen idealen Ort gibt es nicht, doch manche sind näher am Ideal als andere. Und hier sind wir dem Himmel sehr nahe.«
    »Die Amerikaner sind zu ungehobelt, um eine anständige Teekultur zu entwickeln. Das erfordert eine lange Tradition: China, Japan, England. Wusstest du, dass sogar die Deutschen es allmählich hinkriegen?«
    »Mit bedingungsloser Disziplin, davon bin ich überzeugt.« Sie strich den Rock ihres Kleides glatt.
    Er hielt ihr seine Tasse hin, um sich nachschenken zu lassen. »So diszipliniert sind sie gar nicht. Das ist ein Mythos, meine Liebe. Ich habe jahrelang geschäftlich mit ihnen zu tun gehabt.«
    »Ich habe nie gewusst, was für ein guter Geschäftsmann du bist, bis ich dich beinahe verloren hätte.«
    »So?« Er genoss das Kompliment.
    »Du sprichst mit mir nie übers Geschäft.«
    »Viel zu öde, mein Schatz. Mit dir genieße ich die schönen Dinge des Lebens: Musik, Tanz, Literatur. Ich liebe es, wenn wir zusammen lesen und wenn du mir vorliest. Du hast so eine verführerische Stimme, mein Häschen.«
    »Danke. Aber ich muss gestehen, H., wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren mich sehr. Ich lese das Wall Street Journal, wenn du es durchhast, und manchmal kämpfe ich mich sogar durch die Süddeutsche Zeitung. Ich wünschte, ich hätte es in der Schule weitergebracht.«
    »Die Schönheit ist eine eigene Schule.«
    »Je mehr ich weiß, desto mehr bewundere ich dein Können.«
    Er stellte die Tasse aufs Tablett. »Sarah, Flughäfen bauen ist nichts für eine Frau.«
    »Aber Liebster, das machst du doch gar nicht mehr. Jetzt

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