Die Katze
Fäden. Ein kleines Zupfen, ein gezogener Faden, und sie drohen zu zerfallen. Und trotzdem sind einige stark genug, Generationen solcher gezogenen Fäden zu überleben. Warum einige und andere nicht?
Sie hielt inne und löschte den Text wieder. Zu pompös, entschied sie, während die Worte vom Bildschirm verschwanden. Sie setzte neu an. Ich habe in letzter Zeit viel über Familien
nachgedacht. Wie regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen, hat meine Mutter mich und meine Geschwister verlassen, als wir noch klein waren. Meine Schwester überlegt jetzt, ihren Kindern das Gleiche anzutun. Tradition , höre ich Tewje von seinem Dach schmettern. Löschen. Zu moralisch.
Ich habe in letzter Zeit viel über Familien nachgedacht. Einen Großteil der vergangenen Wochen habe ich damit zugebracht, Jill Rohmer über ihre zu interviewen. Jill wurde von ihrem Vater geschlagen, von ihrem Bruder sexuell belästigt und von ihrer Mutter emotional verlassen. Zurzeit wartet sie auf ihre Hinrichtung für die grausamen Lustmorde an drei hilflosen Kindern. Überrascht das irgendwen wirklich?
Löschen. Zu unangenehm. Was hatte sie sonst noch beschäftigt?
Ich bin gestern Nacht endlich mal wieder gevögelt worden. Hurra!
»Probleme?«, fragte Michael Johnson, der im Eingang zu ihrer Klause stand. Sofort drückte Charley auf die Lösch-Taste und fuhr herum.
»Michael. Ich hab Sie gar nicht bemerkt.«
»Dachte, ich schau mal nach meiner Starreporterin, zumal ich in jüngster Zeit hier nicht allzu viel von ihr gesehen habe.«
»Ich war immer mal hier und gleich wieder weg.«
»Hauptsächlich gleich wieder weg, nehme ich an. Wie ist Jill Rohmer überhaupt? So sexy wie auf den Fotos?«
»Sie finden Jill Rohmer sexy?« Charley wusste nicht, ob ihre Neugier oder ihr Entsetzen überwog.
»Auf eine pervertierte Psycho-Art.« Michael lächelte. »Sie nicht?«
»Kann ich nicht behaupten, nein.«
»Schade. Eine faszinierende Vorstellung - ihr beiden Mädels zusammen.«
»Ich sollte jetzt weiterarbeiten«, sagte Charley gereizt.
»Worüber reden Sie und die Kindermörderin denn so?«
»Ich fürchte, da müssen Sie sich noch gedulden und das Buch lesen.«
»Nur wenn ich ein Freiexemplar kriege.«
Charley wendete sich wieder ihrem Computer zu.
»Ich erwarte die Kolumne für Sonntag um vier Uhr auf meinem Schreibtisch«, hörte sie Michael im Hinausgehen sagen.
»Arschloch«, zischte sie, als er weg war.
Ich muss mich bei meiner Schwester entschuldigen , begann sie zu tippen. Sie hat sechs Bestseller geschrieben, und bis gestern Abend hatte ich kein einziges ihrer Bücher gelesen .
Das Telefon klingelte. »Charley Webb«, sagte sie abwesend, während sie über den nächsten Satz nachdachte.
»Hier ist Gary Gojovic«, meldete sich ein Mann. »Sie haben versucht, mich zu erreichen?«
»Ja, hallo, Mr. Gojovic. Danke für Ihren Rückruf.«
»Kennen wir uns?«
»Ich glaube nicht. Ich bin Reporterin bei der Palm Beach Post .« Die Verbindung wurde beendet. »Hallo? Mr. Gojovic? Hallo?« Charley legte auf, schlug in ihrem Adressbuch seine Telefonnummer nach und rief seine Firma an.
»Hartley & Sons, Klempner und Installateur«, begrüßte sie eine Empfangssekretärin.
»Gary Gojovic, bitte.«
»Einen Moment, ich verbinde.«
»Gary Gojovic«, meldete er sich wenig später.
»Hier ist Charley Webb. Bitte legen Sie nicht auf.« Wieder wurde die Verbindung beendet. »Na, super. Das ist einfach super.« Sie drückte auf Wahlwiederholung.
»Hartley & Sons, Klempner und Installateur«, ertönte die nunmehr vertraute Stimme.
»Ich möchte eine neue Dusche einbauen lassen«, improvisierte Charley. »Eine Freundin hat mir Gary Gojovic empfohlen.«
»Ja, Gary ist unser Spitzeninstallateur. Haben Sie spezielle Vorstellungen?«
»Ich möchte einen komplett neuen Look.«
»Das ist immer sehr aufregend. Wo wohnen Sie?«
Charley nannte der Frau ihre Adresse.
»Ich könnte Ihnen Gary morgen zwischen zehn und zwölf vorbeischicken, wenn das passt.«
»Perfekt.«
»Welchen Namen darf ich notieren?«
Charleys Kopf war mit einem Mal völlig leer. Sie starrte auf den Bildschirm. Ich muss mich bei meiner Schwester entschuldigen , las sie. Sie hat sechs Bestseller geschrieben, und bis gestern Abend hatte ich kein einziges ihrer Bücher gelesen . »Tiffany«, borgte sich Charley den Namen der jüngsten Heldin ihrer Schwester. »Tiffany Lang.«
KAPITEL 24
»Mrs. Lang?«, fragte der junge Mann und lächelte, als er sie sah. Er war vielleicht um
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