Die Katze
das braune Ledersofa mit dem passenden Sessel auf einem nackten Fliesenboden, ein großer Fernseher, ein DVD-Player neben einem altmodischen Videorekorder für die Filmklassiker. Die Gemälde an den Wänden waren eher dekorativ als künstlerisch wertvoll: eine nichtssagende Landschaft, eine Schale mit grünen Äpfeln, ein Hafen mit Segelbooten.
Das Schlafzimmer war hingegen etwas vollkommen anderes. Hier hingen fantastische Schwarzweißfotografien: ein vollständig
bekleidetes Paar, das sich an einem Kiesstrand liegend hinter einem großen Sonnenschirm umarmt, von Henri Cartier-Bresson; ein ausgelassener Matrose, der am D-Day ein junges Mädchen auf dem Times Square küsst, von Robert Doisneau; eine prachtvolle blühende Orchidee von Robert Mapplethorpe; ein Diane-Arbus-Foto von zwei jungen Schwestern, die leeren Blickes in die Ferne starren; ein anderes Bild von zwei Frauen, die den Kopf in den Nacken geworfen, den Mund weit offen, herzhaft lachen. »Das ist ja eine ziemlich beeindruckende Sammlung«, hatte sie geflüstert und die Gitarre bemerkt, die an dem Schreibtisch gegenüber dem Bett lehnte, auf dem ein Computer stand, in dessen Bildschirm sich das durchs Fenster fallende Mondlicht spiegelte. »Vielleicht spielst du mir später was vor.«
»Später«, hatte er gesagt.
»Danach«, hatte sie geflüstert.
Und dann hatten sie gelacht.
Letztendlich hatte Alex sich doch darum gedrückt, ihr etwas vorzuspielen, und behauptet, es wäre sein As im Ärmel, eine Garantie dafür, dass sie wiederkommen würde. Darüber brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dachte Charley und stöhnte leise. »Erstaunlich«, flüsterte sie wieder, wusch ihr Gesicht, putzte sich die Zähne und schlüpfte ins Bett. Noch während Bandit seinen kleinen Körper in ihre Kniekehle schmiegte, war sie fest eingeschlafen.
Sie träumte, sie würde einen großen schwarzen Schirm über eine Wiese mit Blumen jagen, verfolgt von Ethan Rohmer, der von mehreren Männern in Matrosenanzügen angefeuert wurde, die am Rand standen. Sie spürte Ethans heißen Atem im Nacken und seine Fingerspitzen an ihren Haaren. Sie stolperte und stürzte, und sein Schatten fiel drohend über sie, als er sie wieder auf die Füße zerrte. »Was wollen Sie?«, flehte sie, als er begann, sie in ein knallrotes Tuch zu wickeln. Nur dass der Mann gar nicht mehr Ethan Rohmer war. Es war Glen McLaren.
Charley schreckte hoch und schnappte nach Luft. Bandit war sofort auf den Beinen und leckte ihr den Schweiß von Gesicht und Hals. »Schon gut, Bandit. Ist schon gut«, sagte Charley zu ihrer beider Beruhigung. Der Traum war schon halb verflogen, verdunstet wie Morgentau. Sie wusste nur noch, dass sie etwas hinterhergelaufen war, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, was es gewesen war, beobachtet von einer Gruppe Matrosen. Stimmte das? Und dann hatte Ethan sie gepackt. Aber es war nicht Ethan gewesen. »Es war Glen«, stellte sie laut fest.
Glen McLaren war eine Zeitlang an mehreren Clubs im Großraum Fort Lauderdale beteiligt.
Und?
Und wusstest du auch, dass ein kleiner Dealer namens Ethan Rohmer regelmäßig in einem dieser Clubs verkehrt hat?
Na und? Was hatte das zu bedeuten? Bedeutete es überhaupt irgendwas?
Charley wälzte sich von links nach rechts und dann auf den Rücken, beobachtete eine knappe Stunde lang den langsam kreisenden Deckenventilator und versuchte, an nichts zu denken. Schließlich gab sie den Versuch, in näherer Zukunft einzuschlafen, ganz auf und ging, gefolgt von Bandit, in die Küche, wo sie sich einen Kräutertee kochte. Den nahm sie mit ins Wohnzimmer, wo sie es sich auf dem Sofa bequem machte und sich fragte, ob Alex noch wach war und auch nicht einschlafen konnte. Sie sah den Roman ihrer Schwester auf dem Tisch liegen und schlug ihn auf. Wenn sie schon in einem verdammten Kitschroman lebte, könnte sie auch herausfinden, was sie als Nächstes tun sollte. Außerdem war ihre Mutter über dem Buch eingeschlafen. Mit etwas Glück hatte es bei ihr vielleicht die gleiche Wirkung.
Stattdessen las Charley die ganze Nacht durch. Um sieben Uhr morgens erreichte sie den letzten Absatz.
Tiffany sah Blake hinterher. Wie immer gewahrte sie seinen festen Gang und seinen sicheren Schritt. Sie fragte sich, woher
er dieses Selbstbewusstsein nahm und ob sie es je selbst erleben würde, ohne ihn an ihrer Seite, der sie auf Schritt und Tritt führte. Würde er sich umdrehen?, fragte sie sich und setzte für alle Fälle ein tapferes Lächeln auf. Würde er
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