Die Katze
sich an die Tage erinnern, die sie lachend, und an die Nächte, die sie liebend miteinander verbracht hatten, an die Stunden, die Minuten, die Sekunden, in denen sie ihn mit jeder Faser ihres Seins umarmt hatte? Würde die Erinnerung ihn verfolgen, so wie sie zweifelsohne sie verfolgen würde, die Erinnerung an eine Liebe, an die sie sich einst geklammert, die sie dann so achtlos behandelt und schließlich rücksichtslos hinter sich gelassen hatten?
»Denk an die Liebe«, flüsterte sie, als sein Schatten vom dunklen Abendhimmel verschluckt wurde und er für immer aus ihrem Blickfeld verschwand. »Denk an die Liebe.«
Charley klappte das Buch zu und wischte sich eine Träne ab. »Oh bitte. Sag mir, dass du nicht weinst. Sag mir, dass dich dieser alberne Quatsch nicht wirklich zu Tränen rührt. Was ist los mit dir?«
»Mommy?«, fragte Franny. Sie stand in einem violetten Nachthemd mit rosa Streifen in der Tür, die Haare vom Schlaf dekorativ verstrubbelt. »Ist Grandma noch hier?«
»Nein, meine Süße. Sie ist gestern Abend noch nach Hause gefahren.«
»Und mit wem redest du dann?«
Charley verzog das Gesicht. »Mit mir selbst.«
Franny setzte sich neben ihre Mutter auf das Sofa. Bandit hüpfte sofort auf ihren Schoß. »Worüber?«
»Über das Buch von deiner Tante Anne.« Sie warf es auf das Kissen neben sich.
»Ist es gut?«
»Versprichst du mir, es keiner Menschenseele zu verraten, wenn ich dir etwas sage?«
Franny nickte feierlich.
»Es hat mir gefallen.«
»Na, das ist doch okay, oder nicht?«
»Ich weiß nicht genau.«
Franny nickte, als würde sie das verstehen. »Grandma hat gesagt, Tante Anne und Tante Emily würden bald zu Besuch kommen.«
»Das ist richtig.«
»Sehe ich sie dann auch?«
»Auf jeden Fall. Wir werden alle gemeinsam zu Abend essen.«
»Macht Grandma ihr berühmtes Hühnchen?«
»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber wir könnten sie fragen.«
»Ich finde, du solltest Tante Anne sagen, dass dir ihr Buch gefallen hat.«
»Meinst du?«
»Du hast es immer gern, wenn die Leute etwas Nettes über deine Kolumne sagen.«
»Da hast du recht. Wie bist du überhaupt so schlau geworden?«
»Elise sagt, ich komme nach Daddy«, antwortete Franny ernst.
»So, sagt sie das«, stellte Charley müde fest. »Und was sagt sie noch?«
»Sie findet, dass ich hübsch bin.«
»Na, da hat sie auf jeden Fall recht.«
»Und dass du mich wirklich gut hingekriegt hast.«
Charley konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Das hat sie dir erzählt?«
»Ich habe gehört, wie sie mit einer ihrer Freundinnen telefoniert hat. Sie hat gesagt, dass du mich und James wirklich gut hingekriegt hast, und sie hofft, dass sie es mit Daniel auch so gut schafft.«
Wieder schossen Charley Tränen in die Augen.
»Weinst du?«
Charley wischte die Tränen eilig mit dem Handrücken ab. »Ich bin bloß müde.«
»Ich gehe mit Bandit, damit er sein Geschäft machen kann«, bot Franny an.
»Danke, Schätzchen, das ist wirklich nett von dir.«
Franny schlang ihre Arme um den Hals ihrer Mutter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dich lieb.«
»Ich hab dich auch lieb.«
Denk an die Liebe, wiederholte Charley stumm und musste unwillkürlich lächeln.
»Bei Webb«, meldete sich die Haushälterin.
»Ich würde gern Anne sprechen, hier ist ihre Schwester Charley«, fügte sie rasch hinzu, blickte auf die Uhr neben dem Computer auf ihrem Schreibtisch bei der Palm Beach Post und stellte fest, dass es erst halb zehn war. Stand Anne so früh auf? Arbeitete sie vormittags? Würde Charley sie stören? War ihre Schwester überhaupt zu Hause oder schon zu ihrer Lesereise aufgebrochen? Charley verzog das Gesicht, als sie merkte, wie wenig sie in Wahrheit über das Leben ihrer Schwester wusste.
»Charlotte?«, fragte Anne Sekunden später. »Ist alles in Ordnung?«
Warum war das immer die erste Frage, die sie einander stellten, als ob der einzig mögliche Grund eines Anrufs nur darin liegen konnte, dass irgendwas nicht in Ordnung war. »Alles super. Ich hab dein Buch gelesen.«
»Wirklich?«
»Es hat mir gefallen. Ehrlich gesagt hab ich die ganze Nacht durchgelesen. Ich konnte es einfach nicht weglegen.«
»Du klingst überrascht«, bemerkte Anne.
»Nein. Na ja, vielleicht doch, schon. Aber sehr angenehm.«
»Das ist gut, nehme ich an.«
»Wie geht es den Kindern?«, fragte Charley.
»Gut. Hat Emily dir erzählt, dass ich A. J. das Sorgerecht
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