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Die Katze

Titel: Die Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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eine Fremde für mich, Charley. Ich sehe sie an und spüre überhaupt keine Verbindung.«
    »Das ist seltsam, denn du siehst genauso aus wie sie«, bemerkte Charley. »Die dunklen Augen, deine Gesichtszüge, sogar wie du beim Reden mit den Händen gestikulierst.«
    Sofort verschränkte Bram die Arme vor der Brust und schob die Hände unter die Achselhöhlen. »Das bildest du dir bloß ein.«
    »Nein. Emily und ich sehen mehr aus wie Dad. Du und Anne, ihr seht aus...«
    »Du siehst, was du sehen willst«, unterbrach Bram sie.
    »Mag sein.«
    »Ich hätte heute Abend nicht kommen sollen.«
    »Ich bin froh, dass du es getan hast. Das war sehr mutig.«
    Er lachte. »Klar, deswegen verstecke ich mich auch schon seit einer halben Stunde hier.«
    »Sie beißt nicht, Bram.«
    »Das braucht sie auch gar nicht.«
    Charley ging langsam auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Los komm, sie wird auch nicht jünger.«
    Bram ergriff ihre Hand, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. »Warum habe ich dann das Gefühl, ich würde jünger?«
    Charley lächelte, weil sie genau wusste, was er meinte. »Komm«, sagte sie noch einmal. »Sie wartet.«
    Sie saßen um den Couchtisch im Wohnzimmer wie die letzten drei Bauern einer eher unfreundlich verlaufenen Schachpartie, Charley auf dem Sofa, ihre Mutter und Bram in den beiden riesigen Rattansesseln gegenüber. Charleys Blick zuckte nervös
zwischen ihrer Mutter und ihrem Bruder hin und her, ohne irgendwo zu lange zu verharren. Ihre Mutter sah Bram ängstlich an, ohne den Blick auch nur einen Moment abzuwenden. Und Bram starrte auf den Boden und wünschte sich offensichtlich weit weg.
    »Ich weiß, dass das nicht leicht für dich ist«, sagte Elizabeth zu ihrem Sohn.
    »Du weißt gar nichts über mich«, entgegnete Bram.
    »Ich weiß, dass du wütend bist, und dazu hast du alles Recht.«
    »Sehr großzügig von dir.«
    »Bram«, warnte Charley und beugte sich vor, als wolle sie darauf vorbereitet sein, zur Not über den Couchtisch zu hechten, um die beiden zu trennen, wenn der Streit eskalierte.
    »Ich bin sicher, es gibt vieles, was du mir sagen willst«, räumte Elizabeth ein.
    »Im Gegenteil«, sagte Bram. »Es gibt nichts, was ich dir sagen möchte. Man hat mir beigebracht, nicht mit Fremden zu reden.«
    Elizabeths Wangen leuchteten rosa wie nach einer Ohrfeige. »Ich bin deine Mutter«, sagte sie mit zitternder Unterlippe.
    Bram lachte ein raues Lachen, das erstarb, als sein Blick auf Charley traf. »Tut mir leid. Ich dachte, das wäre ein Witz.«
    »Ich weiß, dass ich für sehr lange Zeit nicht spürbar für dich da war.«
    »Vielleicht solltest du sagen, zweiundzwanzig Jahre überhaupt nicht«, korrigierte Bram sie.
    »Und ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut...«
    »Du brauchst nichts zu sagen, weil es mich sowieso nicht interessiert.«
    »Ich habe jeden Tag an dich gedacht...«
    »Na, das ist interessant, denn ich habe nie an dich gedacht.« Bram blickte zu der roten Vase mit den gelben Seidentulpen auf dem Bambustischchen an der gegenüberliegenden Wand.
»Nein, das stimmt nicht ganz. Wahrscheinlich hab ich am Anfang schon an dich gedacht. Ich war zwei Jahre alt, fast noch ein Baby, Herrgott noch mal, und Babys brauchen ihre Mutter. Also habe ich wohl geweint. Stimmt das, Charley? Habe ich geweint?«
    »Wir waren alle sehr traurig«, räumte Charley ein.
    »Und diese Traurigkeit werde ich mein Leben lang mit mir herumtragen.« In Elizabeths Augen standen Tränen, die blasse Röte auf ihren Wangen breitete sich über ihr ganzes Gesicht.
    »Niemand bittet dich, irgendwas zu tragen«, fauchte Bram sie an. »Glaub mir, es ist nicht nötig. Denn wenn man erst zwei ist, vergisst man zum Glück alles. Kannst du das fassen? Ich habe vergessen, dass es dich gibt. Deshalb kannst du weinen und sagen, dass du zweiundzwanzig beschissene Jahre lang täglich an mich gedacht hast, aber die Wahrheit ist, dass ich keine Erinnerung an dich habe. Gar keine. Null. Nada. Zero. Ich sehe dich an«, fuhr er fort und blickte seine Mutter tatsächlich zum ersten Mal an diesem Abend direkt an, bevor er den Blick beinahe ebenso schnell wieder abwandte, »und sehe eine attraktive ältere Dame, die mir wohl ein bisschen ähnlich sieht, mir jedoch absolut nichts bedeutet. Es tut mir leid, wenn das harsch klingt, und es tut mir leid, wenn dich das traurig macht. Aber was hast du nach all der Zeit erwartet? Ich bin nicht Charley. Charley war acht, als du uns verlassen hast. Sie hat Erinnerungen. Ich

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