Die Katze
atmete tief durch und stürzte sich kopfüber ins kalte Wasser. »Ich wollte fragen, ob es möglich ist, dass James dieses Wochenende mit seiner Schwester zu euch kommt«, begann sie.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich weiß, es ist eine Zumutung …«
»Findest du?«
»Aber James’ Vater hat kurzfristig abgesagt, und ich muss am Wochenende arbeiten und bin nicht hier …«
»Und ist das mein Problem?«, fragte Elise, während ihr Baby weiterschrie.
»Nein. Natürlich ist das nicht dein Problem. Pass auf, vielleicht sollte ich das Ganze später mit Ray besprechen.«
»Warum? Glaubst du, er lässt sich leichter rumkriegen?«
Charly schwieg. Was sollte sie sagen … ja?
»Hör mal, es war schon schlimm genug, als wir noch kein eigenes Baby hatten«, erinnerte Elise Charley unnötigerweise. Das Verhältnis zwischen den beiden Frauen war schon angespannt gewesen, bevor Elise ihren Sohn Daniel geboren hatte. Seither hatte es sich weiter verschlechtert. »Ich fürchte, du musst dir einen neuen Trottel suchen«, sagte Elise noch und legte auf.
Charley ging im Kopf rasch die Liste der Leute durch, die sie im Krisenfall anrufen konnte. Erschrocken stellte sie fest, dass sie beträchtlich kürzer war als die Liste, um die Officer Ramirez sie gebeten hatte. Sie bestand nur aus ihrer Mutter, von der Charley wusste, dass sie kurzfristig eine Wochenend-Kreuzfahrt auf die Bahamas gebucht hatte, nachdem Charley den gemeinsamen Wellness-Tag abgesagt hatte, und ihrem Bruder, der sich mehr oder weniger komplett abgemeldet hatte, Punkt. Sonst gab es niemanden, wurde ihr klar, und sie griff zum Hörer, um Alex Prescott anzurufen und den Termin am Samstag abzusagen. Im selben Moment klingelte ihr Telefon. »Charley Webb«, meldete sie sich und konnte die Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
»Irgendwas nicht in Ordnung?«, wollte der Anrufer wissen.
Charley erkannte Glen McLarens Stimme sofort. »Heute ist einfach nicht mein Tag.«
»Kann ich irgendwas tun, um Ihnen zu helfen?«
Die Frage ließ Charley stutzen. Konnte sie das machen?,
überlegte sie und beugte sich auf ihrem Stuhl vor, um sich im selben Moment zu fragen, was eigentlich mit ihr los war. Sie kannte den Mann kaum, und was sie von ihm wusste, klang gelinde gesagt zwielichtig. Ein Nachtclub-Besitzer, ein Casanova, ein »Möchtegern-Gauner«. Hatte sie ihm nicht mehr oder weniger unverhohlen Verbindungen zur Mafia vorgeworfen? Trotzdem sagte ihr ihr Instinkt, dass er im Grunde seines Herzens ein guter Mensch war, außerdem würde er nicht mit ihrem Sohn alleine sein. Sein eigener Sohn war dabei, zusammen mit der Mutter und dem Stiefvater des Jungen. Und James liebte Lions Country Safari. Aber was sagte es über sie - oder auch alle anderen -, dass sie einem praktisch Fremden mehr vertraute als ihrem eigen Fleisch und Blut?
»Charley? Sind Sie noch da?«
»Hören Sie, Glen«, antwortete sie. »Steht das Angebot noch?«
KAPITEL 8
»Sehen Sie das?«
Charley blickte aus dem Fenster von Alex’ zehn Jahre altem, senffarbenem Malibu-Cabriolet auf einen flachen, öden, weißen Gebäudekomplex in der Ferne. Die trostlosen kasernenartigen Baracken standen im krassen Gegensatz zu den wunderschönen alten Kiefern, die die Zufahrtsstraße säumten. »Das ist Pembroke Correctional?«
»Das ist es.«
»Sieht grässlich aus.«
»Von Nahem ist es sogar noch schlimmer.«
Charley schob die Haarsträhnen, die ihr in die Augen und in den Mund wehten, hinter die Ohren und rückte ihre Sonnenbrille zurecht, obwohl das eigentlich unnötig war. Die Sonne war kurz vor Mittag hinter Wolken verschwunden, ungefähr zur selben Zeit, als Glen mit seinem silbernen Mercedes vor ihrem Haus gehalten hatte. Neben ihm saß sein Sohn, seine Ex-Frau und ihr neuer Mann hatten auf der Rückbank Platz genommen.
»Du musst Eliot sein«, begrüßte Charley den dunkelhaarigen Jungen mit dem runden Gesicht, der sich an die Beine seines Vaters schmiegte, als sie gemeinsam Charleys Wohnzimmer betraten. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
»Was sagt man?«, fragte Glen seinen Sohn.
»Wo ist James?«, rief Eliot und vergrub sein Gesicht in der schwarzen Hose seines Vaters.
»Ich bin auf dem Klo«, rief James zurück.
Charley lachte. »Typisch mein Sohn.«
»Nettes Haus«, bemerkte Glen.
»Und sehr nett von Ihnen, dass Sie das für mich tun. Ich schulde Ihnen einen großen Gefallen.«
»Allerdings.«
In diesem Moment war James, mit dem Reißverschluss seiner
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