Die Katzen von Ulthar
die Galione an unsichtbaren und ungeahnten Mysterien vorbei. Einmal meldete der Ausguck Feuer auf den Hügeln im Osten, doch der schläfrige Kapitän sagte, man sähe sie besser nicht zu lange an, denn es sei höchst ungewiß, wer oder was sie entzündet habe.
Morgens hatte sich der Fluß stark verbreitert, und die Häuser, die das Ufer säumten, zeigten Carter, daß sie kurz vor der mächtigen Handelsstadt Hianith an der Cerenäischen See waren. Hier sind die Mauern aus rauhem Granit und die Häuser von phantastischen, verputzten Balkengiebeln gekrönt. Die Leute von Hianith gleichen mehr den Menschen der wachen Welt als anderen des Traumlandes; man besucht die Stadt deshalb nur wegen des regen Tauschhandels, rühmt jedoch die solide Arbeit ihrer Kunsthandwerker. Die Kaianlagen von Hianith bestehen aus Eiche, und dort ankerte die Galione, während der Kapitän in den Tavernen feilschte. Auch Carter ging an Land und besah sich neugierig die ausgefahrenen Straßen, wo hölzerne Ochsenkarren rumpelten und in Bazaren hitzige Kaufleute ihre Waren ausriefen. Die 49
Hafentavernen standen alle dicht bei den Kais, an Pflasterstraßen, die die Gischt hoher Fluten mit einer Salzkruste überzogen hatte, und durch ihre niedrigen, schwarzen Balkendecken und die Fensterflügel mit grünen Butzenscheiben wirkten sie sehr altertümlich. Greise Seeleute redeten in diesen Tavernen viel von fernen Häfen und erzählten manche Geschichte über die merkwürdigen Männer aus dem zwielichtigen Inquanok, konnten jedoch dem, was die Matrosen der Galione schon berichtet hatten, nichts Neues hinzufügen. Dann endlich, nach langem Ent− und Beladen, setzte das Schiff erneut Segel über das abendliche Meer, und die hohen Mauern und Giebel von Hianith versanken immer mehr, während ihnen das letzte, goldene Licht des Tages eine Pracht und Schönheit schenkte, die jene übertraf, die die Menschen ihnen verliehen hatten.
Zwei Nächte und zwei Tage segelte die Galione über die Cerenäische See, sah kein Land und passierte nur ein anderes Schiff. Gegen Sonnenuntergang des zweiten Tages ragte dann voraus der schneeige Gipfel des Aran, auf seinen unteren Hängen wiegten sich Gingkobäume, und Carter wußte, daß sie das Land Ooth−Nargai und die wundervolle Stadt Celephais erreicht hatten. Rasch kamen die glitzernden Minarette dieser sagenhaften Stadt in Sicht und die makellosen Marmorwälle mit ihren Bronzestatuen und die große Steinbrücke, wo der Naraxa ins Meer mündet. Jenseits der Stadt stiegen sanfte Hügel mit Wäldchen und Asphodelengärten, kleinen Schreinen und Cottages darauf an; und in weiter Feme lag gewaltig und mystisch die Purpurkette der Tanarischen Berge, hinter der verbotene Wege in die wache Welt und in andere Traumregionen führen.
Im Hafen drängten sich bemalte Galionen, von denen einige aus der marmornen Wolkenstadt Serannian stammten, die in ätherischen Gefilden schwebt, wo sich die See dem Himmel vermählt, und andere aus greifbareren Gegenden des Traumlandes. Zwischen ihnen hindurch fand der Steuermann seinen mühsamen Kurs zu den spezereiduftenden Kais, an denen die Galione in der Dämmerung festmachte, als die Millionen Lichter der Stadt anfingen über das Wasser zu flimmern. Ewig neu schien diese unsterbliche Stadt der Vision, denn hier besitzt die Zeit keine Macht zu entstellen oder zu zerstören. Wie eh und je schimmert matt der Türkis von Nath−Horthath, und die achtzig orchideenbekränzten Priester sind dieselben, die ihn vor zehntausend Jahren erbauten. Beständig glänzt die Bronze der großen Tore, und auch die Onyxpflaster nutzen sich nicht ab öde zerbröckeln. Und von den Mauern blicken die hohen Bronzestandbilder auf Kaufherren und Kameltreiber herab, die älter als die Fabel sind, und doch findet sich nicht ein graues Haar in ihren geteilten Barten.
Carter suchte kein einziges Mal den Tempel, den Palast oder die Zitadelle auf, sondern verweilte an der meernahen Mauer zwischen Seeleuten und Händlern.
Und als es für Gerüchte und Legenden zu spät geworden war, begab er sich in eine ihm vertraute, alte Taverne und träumte im Schlaf von den Göttern auf dem unbekannten Kadath, nach denen er suchte. Am nächsten Tag durchforschte er sämtliche Kais nach den merkwürdigen Seefahrern aus Inquanok, erfuhr aber, daß sich augenblicklich keine im Hafen aufhielten, denn ihre Galione aus dem Norden wurde erst in zwei vollen Wochen erwartet. Er fand jedoch einen Seemann aus Thorabonien, der in Inquanok
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