Die Katzen von Ulthar
trägt und ganz allein in einem prähistorischen Steinkloster lebt. Dieser Mann schien ein merkwürdig wissendes Gesicht gemacht zu haben, als Carter die Händler von Dylath−Leen nach der kalten Öde und dem Kadath fragte; und irgendwie wirkte seine Gegenwart im dunklen und verhexten Inquanok, so nahe der Wunder des Nordens, nicht eben beruhigend.
Bevor Carter mit ihm sprechen konnte, war er völlig verschwunden, und die Seeleute erzählten später, er wäre aus einer nur ungenau bezeichneten Gegend mit einer Yak−Karawane gekommen, die als Fracht die kolossalen und besonders wohlschmeckenden Eier des sagenhaften Shantak−Vogels mitführte, um sie gegen die kunstvollen Jadepokale zu tauschen, die Händler aus Ilarnek brachten.
Am folgenden Morgen führte der Schiffskapitän.Carter durch die Onyxstraßen von Inquanok, die schwarz unter dem zwielichtigen Himmel lagen. Die getäfelten Türen und figurengeschmückten Häuserfronten, die gemeißelten Balkone und kristallverglasten Erker, alles schimmerte mit einer düsteren und polierten Lieblichkeit; und dann und wann tat sich eine Plaza auf mit schwarzen Säulen, Kolonnaden und den Statuen wunderlicher, menschlicher wie fabulöser Wesen. Manche der Ausblicke auf lange und schnurgerade Straßen, in Nebengäßchen oder über Zwiebelkuppeln, Spitztürme und arabeskenverzierte Dächer waren über alle Beschreibung unirdisch und schön; und nichts war herrlicher als die eindrucksvolle Höhe des großen Zentraltempels der Älteren, mit den sechzehn behauenen Seiten, dem abgeflachten Dom und seinem zinnengeschmückten Glockenturm, alles andere überragend und bei jedem Vordergrund majestätisch anzuschauen. Und im Osten, weit jenseits der Stadtmauern und den Meilen Weidelandes ragten immer die hageren, grauen Flanken jener unermeßlich hohen und ungangbaren Gipfel, hinter denen das gräßliche Leng liegen sollte. Der Kapitän brachte Carter zu dem mächtigen Tempel, der mit seinem umwallten Garten auf einem weiten Rundplatz liegt, von dem die Straßen wie Speichen von einer Radnabe ausgehen. Die sieben Bogentore dieses Gartens, jedes trägt ein ebensolches gemeißeltes Gesicht wie die einzelnen Stadttore, stehen fortwährend offen, und die Leute durchstreifen ehrfürchtig nach Belieben die geziegelten Pfade und kleinen Sträßchen, die von grotesken Tennen und den Schreinen einfacher Götter gesäumt sind. Und es gibt dort Fontänen, Teiche und Bassins, in denen sich die Flammenzungen aus den Dreifüßen auf dem Hochbalkon spiegeln; ganz aus Onyx sind sie und beherbergen kleine leuchtende Fische, die Taucher aus den tiefen Gründen des Ozeans mitgebracht haben. Wenn der tiefe Klang vom Glockenturm des Tempels über den Garten und die Stadt zittert und die Antwort der Hörner und 57
Bratschen und Stimmen aus den sieben Häuschen bei den Gartentoren schallt, treten aus den sieben Toren des Tempels lange Reihen schwarzgekleideter, maskierter und kapuzenverhüllter Priester, die mit ausgestreckten Armen große goldene Becken vor sich hertragen, denen ein merkwürdiger Rauch entsteigt.
Und alle sieben Reihen stolzieren in einem absonderlichen Gänsemarsch, mit gestreckten, weit nach vom geworfenen Beinen, die Wege hinunter, die zu den sieben Häuschen führen, in denen sie verschwinden und nicht wieder zum Vorschein kommen. Es heißt, daß unterirdische Gänge die Häuschen mit dem Tempel verbinden, und daß die Züge der Priester durch sie zurückkehren; man munkelt auch, daß tiefe Onyxtreppenfluchten zu nie erwähnten Mysterien hinabführen. Aber es sind nur wenige die andeuten, daß die Priester in den maskierten und kapuzenverhüllten Reihen keine menschlichen Wesen sind.
Carter betrat den Tempel nicht, denn dies ist einzig dem Verschleierten König gestattet. Doch ehe er den Garten verließ, kam die Stunde der Glocke, und er hörte den zitternden Klang betäubend über sich und das Klagen der Homer und Bratschen und Stimmen aus den sieben Häuschen bei den Toren. Und die sieben breiten Wege hinunter stakten in ihrer eigentümlichen Art die langen Reihen beckentragender Priester und flößten dem Reisenden eine Furcht ein, die menschliche Priester selten vermitteln. Als der letzte von ihnen verschwunden war, verließ er den Garten und bemerkte unterwegs einen Fleck auf dem Ziegelpflaster über das die Becken getragen worden waren. Selbst dem Schiffskapitän gefiel dieser Fleck nicht, und er drängte Carter zu dem Hügel, auf dem sich der Palast des Verschleierten
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