Die Katzen von Ulthar
Königs vielkuppelig und wunderbar erhebt.
Die Wege hinauf zum Onyxpalast sind steil und eng, ausgenommen der eine, breite, geschwungene über den der König und seine Gefährten auf Yaks reiten oder in yakgezogenen Triumphwagen fahren. Carter und sein Führer klommen eine Stufenallee empor, zwischen Mosaikwänden, die seltsame goldene Siglen trugen und unter Balkonen und Erkern hindurch, denen manchmal sanfte Musik oder ein Hauch exotischen Wohlgeruchs entströmte. Voraus ragten immer jene Titanenwälle, mächtigen Strebepfeiler und dichtgedrängten Zwiebelkuppeln für die der Palast des Verschleierten Königs berühmt ist; und schließlich schritten sie unter einem großen schwarzen Bogen weg und standen in den Lustgärten des Monarchen. Hier hielt Carter von soviel Schönheit betäubt inne; denn die Onyxterrassen und Kolonnadengänge, die geputzten Portieren und delikat blühenden, mit goldenen Spaliergittern versehenen Bäume, die ehernen Urnen und Dreifüße mit kunstvollen Basreliefs, die piedestalgetragenen, beinahe lebensechten Statuen aus geädertem schwarzen Marmor, die gekachelten, von Leuchtfischen bevölkerten Fontänen der basaltgrundigen Lagune, die winzigen Tempel irisierender Singvögel oben auf den gemeißelten Säulen, die wundervollen Schnörkelverzierungen der großen Bronzetore und das blühende Weinlaub, das sich über jeden Zoll der polierten Mauer rankte, alles verschmolz zu einem Anblick, dessen Lieblichkeit jenseits der Realität lag und der sogar im Land des Traumes halb fabulös wirkte. Dort schimmerte er wie eine Vision unter dem Dämmerhimmel mit der kuppeligen und ornamentalen Pracht des Palastes voraus und der phantastischen Silhouette der fernen, unbezwingbaren Gipfel zur Rechten. Und fortwährend sangen die kleinen Vögel und die Fontänen, während das Parfüm rarer Blüten sich wie ein Schleier über diesen unglaublichen Garten breitete. Andere menschliche Wesen ließen sich nicht sehen, und Carter freute sich, daß es so war. Dann kehrten sie um und stiegen 58
die Allee aus Onyxstufen wieder hinab, denn den Palast selbst darf kein Besucher betreten; und es ist nicht gut, den großen Zentraldom zu lange und unverwandt anzuschauen, denn in ihm soll der archaische Vater aller sagenumwobenen Shantak−Vögel hausen und den Neugierigen eigentümliche Träume senden.
Anschließend geleitete der Kapitän Carter in das nördliche Stadtviertel nahe beim Tor der Karawanen, wo sich die Tavernen der Yak−Kaufleute und Onyxbergarbeiterbefinden. Und dort, in einem niedrigen Gasthof der Steinbrecher, sagten sie einander Lebewohl; denn den Kapitän riefen Geschäfte, und Carter drängte es, mit den Bergarbeitern über den Norden zu sprechen. Der Gasthof war gut besucht, und es dauerte nicht lange, da kam der Reisende mit einigen Männern ins Gespräch; er sagte, er sei erfahren im Onyxabbau und gespannt darauf, etwas über die Brüche von Inquanok zu hören. Doch alles was er erfuhr ging kaum über das hinaus, was er vorher schon gewußt hatte, denn die Bergleute äußerten sich schüchtern und ausweichend über die kalte Wüste im Norden und den Steinbruch, den kein Mensch aufsucht. Sie fürchteten sich vor fabulösen Sendboten aus der Gegend der Berge, wo Leng liegen sollte und vor schlimmen Erscheinungen und namenlosen Schildwachen hoch im Norden im Felsengewirr. Und sie wisperten auch, daß die sagenumwobenen Shantak−Vögel keine heilsamen Wesen seien; es wäre wirklich nur zum Besten, daß kein Mensch jemals wahrhaftig einen gesehen habe (denn jener fabelhafte Vater der Shantaks im Dom des Königs würde im Dunkeln gefüttert).
Am nächsten Tag mietete sich Carter, unter dem Vorwand, er wolle die verschiedenen Minen und die verstreut umherliegenden Farmen und wunderlichen Onyxstädtchen alle selbst besichtigen , einen Yak und packte große, lederne Satteltaschen für eine Reise. Hinter dem Tor der Karawanen verlief die Straße gerade zwischen gepflügten Feldern und manch sonderbaren, von flachen Kuppeln gekrönten Farmhäusem. Bei einigen dieser Häuser machte der Reisende halt um Fragen zu stellen; einmal fand er dabei einen Wirt so ernst und schweigsam und so voll einer unverstellten Majestät, gleich jener, die das gewaltige Gesicht auf dem Ngranek ausstrahlte, daß er sicher glaubte, endlich einem der Großen selbst oder jemand zu neun Zehntel von ihrem Blut, begegnet zu sein, der unter den Menschen wohnte. Und diesem ernsten und schweigsamen Hüttenbewohner gegenüber war er
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