Die Katzen von Ulthar
hervor. Außerordentlich fremdartig erhob sich diese archaische Stadt über ihren Mauern und Kais, überall von einem delikaten Schwarz, mit Schnörkeln, Kannelüren und Arabesken aus eingelegtem Gold. Hoch und vielfenstrig waren die Häuser und auf jeder Seite mit Blumen und Mustern verziert, deren dunkle Symmetrien das Auge mit einer eher ergreifenden als sorglosen Schönheit verwirrten. Manche endeten in bombastischen Kuppeln, die in einer Spitze ausliefen, andere in Terrassenpyramiden von denen Minarettgruppen aufstrebten, die in jedem nur erdenklichen Stadium der Fremdartigkeit und Phantasie prangten. Die Mauern waren niedrig und häufig von Toren durchbrochen; über jedem spannte sich ein großer Bogen, der die Normalhöhe weit überragte und von dem Kopf eines Gottes gekrönt wurde, der mit demselben Geschick gemeißelt war, das sich auch in dem monströsen Gesicht auf dem fernen Ngranek aussprach. Auf einem Hügel im Zentrum ragte ein sechzehneckiger Tempel über alle anderen hinaus und trug einen hohen, zinnengeschmückten Glockenturm, der auf einem abgeflachten Dom ruhte.
Dies, sagten die Seeleute, sei der Tempel der Älteren, der von einem alten Hohenpriester regiert werde, den verborgene Geheimnisse quälten.
In Intervallen zitterte der Klang einer befremdlichen Glocke über die Onyxstadt, ihm antwortete jedesmal ein Schall mystischer Musik aus Hömem, Bratschen und Singstimmen. Und aus einer Reihe von Dreifüßen auf einer den hohen Dom des Tempels umlaufenden Galerie, leckten zu bestimmten Augenblicken Flammenzungen empor; denn die Priester und Menschen dieser Stadt waren in den uranfänglichen Mysterien erfahren und getreu im Bewahren des Rhythmus der Großen, so wie er in Schriftrollen angeordnet wird, die älter sind als die Pnakotischen Manuskripte. Als das Schiff an dem mächtigen, basaltenen Wellenbrecher vorbei in den Hafen schaukelte, vernahm man den Alltagslärm der Stadt, und Carter sah die Sklaven, Seemänner und Kaufleute auf den Docks. Die Seeleute und Kaufmänner gehörten der fremdgesichligen Rasse der Götter an, doch die Sklaven waren vierschrötige, schieläugige Leute, die es Gerüchten zufolge irgendwie aus den Tälern hinter Leng über oder um die unwegsamen Gipfel herum hierher verschlagen hatte. Die Piers reichten weit über die Stadtmauer hinaus und trugen alle möglichen Handelswaren der dort ankernden Galeeren; während an einem Ende große Halden bearbeiteten und unbearbeiteten Onyx darauf warteten, nach den fernen Häfen von Rinar, Ograthan und Celephais verschilft zu werden. Noch ehe der Abend richtig anbrach, warf das dunkle Schiff neben einem ausladenden Steinkai Anker, und alle Matrosen und Händler marschierten an Land und unter dem Bogentor hindurch in die Stadt. Die Straßen dieser Stadt waren mit Onyx gepflastert und manche breit und gerade, andere hingegen eng und krumm. Die Häuser dicht am Wasser waren niedriger als die übrigen und wiesen über ihren kurios gewölbten Torwegen gewisse goldene Zeichen auf, wie es hieß zu Ehren der jeweiligen kleinen Götter, die jeder für sich favorisierte. Der Kapitän des Schiffes brachte Carter in eine alte Hafentaverne, wo die Seefahrer wunderlicher Länder beisammenhockten, und versprach ihm am nächsten Tag die Wunder der Zwielichtstadt zu zeigen und ihn in die Tavernen der Onyxbergleute an der Nordmauer zu führen. Und der Abend senkte sich herab, und kleine Bronzelampen wurden entzündet, und die Seeleute in jener Taverne sangen Lieder von entfernten Stätten. Doch als die große Glocke von ihrem hohen Turm über die Stadt zitterte, und der Schall der Homer und Bratschen 56
und Stimmen ihr Antwort gab, unterbrachen alle ihre Lieder oder Geschichten und verneigten sich schweigend, bis das letzte Echo erstarb. Denn über der Dämmerstadt von Inquanok liegt ein Wunder und eine Sonderbarkeit, und die Menschen hüten sich, in ihren Riten nachlässig zu sein, aus Furcht vor einem Verhängnis und einer Strafe, die unvermutet nahe lauem könnten.
Tief in den Schatten dieser Taverne sah Carter eine untersetzte Gestalt, die ihm mißfiel, denn es war unverwechselbar die des alten, schieläugigen Kaufmannes, dem er vor so langer Zeit in den Tavernen von Dylath−Leen begegnet war, und der in dem Ruf stand, mit den schrecklichen Steindörfem von Leng Handel zu treiben, welche kein getroster Mensch besucht; ja, er sollte sogar mit jenem unsäglichen Hohenpriester Geschäfte gemacht haben, der eine gelbe Seidenmaske vor dem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher