Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
Vom Netzwerk:
Herward.
    »Warum auch? Nicht einmal die Zehn Gebote des Herrn und die Bergpredigt verlangen, dass man sich selbst schädigt!«
    »Damit kenne ich mich nicht aus«, gestand Herward. »Aber gegen etwas Süßes hätte ich nichts einzuwenden. Und gegen den Schwarzen Tod ist mir jeder Schutz recht, der weder übelriechend ist noch Durchfall erzeugt!«
    »Ihr werdet begeistert sein. Es gibt niemanden, der das Marzipan so zubereiten kann wie Meister Andrea …« Der Mönch holte aus einer der zahlreichen Schubladen einen irdenen Tiegel heraus, in dem ein Klumpen braunweißer Masse lag. »Es ist mit Gewürzen verfeinert, deshalb unterscheidet es sich in der Färbung.«
    Herward bekam eine Messerspitze zum Probieren.
    »Auf diese Weise sollte man sich immer vor der Pest schützen, Emmerhart!«
    »Ja, und vor trüben Gedanken gleich mit.«
    »In Köln habt Ihr mir gesagt, dass Ihr dieses Geschäft zusammen mit Moritz von Dören großmachen wollt.«
    »Das ist richtig.«
    »Es ist bedauerlich, dass Ihr in anderen Dingen anscheinend so wenig Einfluss auf Moritz von Dören habt.«
    »Wenn Ihr damit meint, dass es uns nicht gelungen ist, die Kölner Konföderation zu verhindern, dann habt Ihr zwar recht. Aber in diesen Dingen ist und bleibt Moritz nun mal ein treuer Gefolgsmann unseres Bürgermeisters.«
    »Und der hat im Rathaus zu Köln unseren eigenen Plan mit solcher Rücksichtslosigkeit gegen uns selbst gewendet wie einen Dolch, den der Angegriffene im letzten Moment herumdreht.« Herward bekam noch eine weitere Messerspitze Marzipan. »Das muss der Neid ihm lassen, Brun Warendorp hat uns alle überrascht.«
    »Wir Lübische sind Seefahrer«, sagte Emmerhart. »Und jemand, der mit Schiffen zu tun hat, weiß, dass man den Wind ausnutzen muss – ganz gleich, aus welcher Richtung er kommt.«
    Das Gesicht Herwards wurde jetzt sehr ernst. »Dann solltet auch Ihr sehr sorgfältig auf den Wind achten, Bruder Emmerhart.«
    »So?«
    »Er könnte sich bald drehen.«
    »Dann habt Ihr Euren Plan, das Bündnis gegen Waldemar zu verhindern, noch nicht aufgegeben?«
    »Hätte ich je etwas im Leben erreicht, wenn ich so leicht zu schrecken wäre?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Ich werde mit unseren gemeinsamen Bekannten hier in Lübeck sprechen und sie dazu überreden, den Kampf noch einmal aufzunehmen.«
    »Und am Ende wird Euch Waldemar mit weitreichenden Privilegien in Helsingborg belohnen.«
    »Mich und die anderen, die auf der richtigen Seite sind, Emmerhart.« Er lächelte aasig. »Habt Ihr noch eine Messerspitze Marzipan für mich?«
    »Ich will ja nicht, dass Ihr um meines Geizes willen an der Pest verreckt, Herward!«
    Herward genoss die süße Medizin schweigend und schloss dabei sogar für einen Moment die Augen. Es wäre ein Frevel gewesen, während dieses Augenblicks auch nur ein einziges Wort zu sagen und damit die Aufmerksamkeit von der außerordentlichen Gaumenfreude abzulenken. »Man wird dies auch in Helsingborg und am Hof Waldemars zu schätzen wissen«, glaubte er. »Vielleicht solltet Ihr Euch für die Zukunft nach anderen Partnern umsehen. Partnern, von denen Ihr mehr erwarten könnt als bisher vom Haus von Dören.«
    »Darüber sollten wir bei nächster Gelegenheit etwas ausführlicher sprechen«, fand Emmerhart. »Ich nehme an, Ihr habt vor, länger in der Stadt zu bleiben?«
    »Für eine Weile«, nickte Herward. »Bis das getan ist, dessentwegen ich herkam.«

S iebenundzwanzigstes K apitel

    Ein Augenblick der Schwäche
    »Vater!«
    Als Johanna nach Hause zurückkehrte, fand sie ihren Vater an seinem Schreibtisch. Er schien über einem der dicken, ledergebundenen Bücher, in denen sorgfältig alle Ein- und Ausgaben des Handelshauses verzeichnet wurden, zusammengebrochen zu sein. Die Stirn lag auf dem Pergament, die rechte Hand umfasste noch eine Feder, und das Tintenfass war umgestoßen. Sein Inhalt rann wie dunkles Blut zum Rand des Tisches und bildete eine Lache.
    Johanna hatte ihren Vater überall im Haus gesucht. Er sollte unbedingt wissen, dass Herward von Ranneberg in der Stadt war, denn das konnte nichts Gutes verheißen.
    Dass sie ihn nun in diesem Zustand sah, erschreckte sie sehr. Die Schwäche, die ihn bereits am Tag ihrer Rückkehr aus Köln heimgesucht hatte, war seitdem nicht zurückgekehrt. Zumindest hatte er nie etwas darüber geäußert.
    Johanna beugte sich über ihren Vater. Er atmete, und das erleichterte sie schon einmal. So hatte ihn zumindest nicht der Schlag getroffen und ihn ihr

Weitere Kostenlose Bücher