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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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fortgenommen.
    »Vater, was ist?«
    Moritz von Dören war zunächst nicht dazu in der Lage zu antworten. Er richtete seinen Oberkörper auf. Und nun sah Johanna, dass er die ganze Zeit die linke Hand gegen die Brust gepresst hatte, so als würde er dort Schmerzen verspüren.
    »Es geht schon wieder«, behauptete Moritz von Dören so wenig überzeugend, dass er unmöglich damit rechnen konnte, seine Tochter zu täuschen.
    »Vater, das kannst du erzählen, wem du willst, aber nicht mir!«, erwiderte sie und rief nach Jeremias, der auch bald herbeikam. »Hol einen Medicus«, verlangte sie.
    »Ach, er soll lieber ein Pülverchen besorgen, das es in Bruder Emmerharts Apotheke zu kaufen gibt«, widersprach Moritz.
    »Bruder Emmerhart solltest du nicht mehr trauen – und seinen Pülverchen genauso wenig«, meinte Johanna.
    »Was soll das heißen?«, fragte Moritz. »Wie sprichst du denn auf einmal über deinen Beichtvater?«
    Johanna ging darauf zunächst nicht weiter ein, sondern wandte sich an Jeremias. »Hol Cornelius Medicus. Er hat dieses furchtbare Furunkel am Bein meiner Schwester geheilt, und er hat überhaupt einen guten Ruf.«
    »Nicht!«, rief Moritz. »Keinen Medicus!«
    »Aber Vater!«
    »Was können die schon anderes, als einen zur Ader zu lassen und damit eine noch größere Schwäche zu verursachen als die, unter der ich leide!«
    »Jeremias! Geh auf der Stelle los und hol Cornelius Medicus her!«, sagte Johanna in einem sehr bestimmten Tonfall.
    Jeremias nickte nur und ging.
    »So einer wie der Cornelius Medicus kommt mir nicht ins Haus!«, rief Moritz.
    »Das werden wir sehen, wenn er da ist«, widersprach Johanna.
    Moritz von Dören atmete tief durch. »Es geht mir wieder gut«, behauptete er. »Du kannst ganz unbesorgt sein, Johanna.«
    Aber der schwache, brüchige Klang seiner Stimme strafte seine Worte Lügen.
    Später, als Cornelius Medicus wieder gegangen war, hatte sich Moritz von Dören auf einen Diwan gelegt, der im Empfangszimmer stand. Das Möbelstück war ein Geschenk der Familie van Brugsma aus Antwerpen gewesen und hatte eine lange Reise von Persien über die Levante nach Venedig, Flandern und schließlich nach Lübeck hinter sich. Alle Maßnahmen des Cornelius Medicus, der nach der Säftelehre des Galen praktizierte, hatte Moritz brüsk abgelehnt und lediglich das aus belebenden Kräutern bestehende Kräftigungsmittel akzeptiert, das der Arzt ihm anbot.
    Es schien ihm jetzt aber trotz allem etwas besser zu gehen, und so berichtete Johanna ihrem Vater, dass sie Herward von Ranneberg in der Stadt gesehen hatte.
    »Du bist dir wirklich sicher, dass er hier in Lübeck ist?«, wunderte sich Moritz, und auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche.
    »Ganz sicher«, bestätigte Johanna. »Da gibt es kein Vertun! Dieses Gesicht wird mich noch in meine Alpträume hinein verfolgen. Schließlich hab ich nicht vergessen, welche ungerechtfertigten Anschuldigungen er in Köln gegen Frederik von Blekinge erhoben hat.«
    »Und diesen Frederik – den hast du anscheinend auch nicht vergessen.«
    »Mag sein«, sagte Johanna kurz angebunden. »Aber so, wie die Dinge stehen, werden wir uns wohl kaum jemals wiedersehen.« Johanna wirkte plötzlich in sich gekehrt. Eine tief empfundene Traurigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht wider, doch sie fuhr fort: »Ich hoffe nur, dass es ihm gut geht, wo immer er jetzt auch ist.«
    »Das klingt fast so, als wärst du bereit gewesen, seinetwegen deine Pläne zu ändern und nicht ins Kloster zu gehen.«
    »Darauf werde ich wohl ohnehin verzichten müssen. Ich habe mit Äbtissin Agathe gesprochen.« In knappen Sätzen fasste Johanna zusammen, was dieses Gespräch ergeben hatte.
    »Nun, ich will nicht verhehlen, dass dies für das Haus von Dören sein Gutes hat«, kommentierte Moritz, und ein verhaltenes Lächeln begann um die Mundwinkel des geschwächten Kaufmanns zu spielen. »So wirst du mir als Schreiberin und vertraute Beraterin ja wohl noch eine Weile zur Verfügung stehen, wie ich hoffe.«
    »Solange du willst, Vater. Alle Pläne, die ich einmal hatte, haben sich zerschlagen, und ich wüsste nicht, wie ich sie noch verwirklichen könnte.«
    So ein Unsinn, meldete sich ein heftig protestierender Gedanke in ihr. In Wahrheit hätte sie natürlich jederzeit versuchen können, in einem anderen Frauenkloster Aufnahme zu finden. Dass Äbtissin Agathe ihr die Aufnahme verweigert hatte, bedeutete ja nicht zwangsläufig, dass auch ein anderes Kloster sie nicht aufnehmen

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