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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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als kleines Mädchen mit aller Ernsthaftigkeit vorgenommen hatte. Noch größer war ihr Entsetzen darüber, dass die Äbtissin offenbar über Dinge Bescheid wusste, von denen nur Frederik und sie etwas wissen konnten.
    Und Bruder Emmerhart, fiel es Johanna wie Schuppen von den Augen. Bruder Emmerhart stand in engem Kontakt zu Äbtissin Agathe und war der Beichtvater der Zisterzienserinnen.
    Dass er allerdings das Beichtgeheimnis gebrochen und mit der Äbtissin über Dinge gesprochen hatte, die ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut worden waren, war für Johanna unfassbar.
    Wie konnte ein Mann Gottes seine Pflichten derart vergessen? Und wie sollte sie Bruder Emmerhart jemals wieder auch nur einen Hauch von Vertrauen entgegenbringen?
    Verurteile ihn nicht, bevor du ihn zur Rede gestellt hast, meldete sich jedoch eine mäßigende Stimme in ihr. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Bruder Emmerhart dafür eine auch nur halbwegs einleuchtende Erklärung parat hatte.
    »Es tut mir leid, dass ich Eurem Wunsch nicht nachkommen kann, Johanna von Dören«, sagte die Äbtissin schließlich. »Und richtet Eurem Vater meine allerherzlichsten Grüße aus.«
    »Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit, Hochwürdige Frau«, sagte Johanna und neigte den Kopf.
    Jetzt konnte sie dem Blick der Äbtissin nicht mehr standhalten.
    Tränen glitzerten in ihren Augen, als sie ins Freie trat. Ein furchtbarer Windstoß fegte über den Platz vor der St. Johannis-Kirche. Schneeregen klatschte ihr kalt in das ungeschützte Gesicht. So viele verschiedene und vor allem vollkommen widersprüchliche Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Hätte ich der Hochwürdigen Frau nicht sagen sollen, dass ich ein Zeichen empfangen habe? Dass Gott dieses Zeichen sandte, damit ich die Pest nicht zum Ausbruch kommen lasse?
    Aber sie hatte geschwiegen. Und eine andere Stimme meldete sich in ihr, die meinte, dass das vielleicht gut war. Denn wie vermessen hätte es geklungen, wenn sie das der Hochwürdigen Frau gegenüber wirklich geäußert hätte? Vielleicht war es auch gar kein Zeichen, dass es an Bord der Walross zwei Pesttote gegeben hat. Genauso gut war es möglich, dass das alles nur eine Ausgeburt ihres eigenen Hochmuts war. Wer bist du, dass du dir einbildest, die Zukunft dieser Stadt und das Wohl der hiesigen Menschen könnten von dir und deinem Entschluss abhängen, ins Kloster zu gehen? Du bist eine Närrin. Und die Äbtissin hat das erkannt – ganz unabhängig davon, dass ihr Bruder Emmerhart geheime Sünden verraten hat!
    Sie ging weiter. Es waren nur wenige Menschen in den schmalen Straßen. Selbst die Bänke der Geldwechsler waren nicht besetzt, und für eine Weile war sogar das Hämmern in den Werkstätten und Werften zum Erliegen gekommen.
    Bisher hat es keinen weiteren Pesttoten gegeben, rief Johanna sich ins Gedächtnis, als sie eine einsame Ratte über die Straße huschen sah. Sie war schnell und so flink, dass man ihr mit dem Blick kaum zu folgen vermochte. Die Ratten, die die Pest brachten, waren anders. Johanna hatte erlebt, wie sie mit fiebrig glänzenden Augen und ohne natürliche Scheu vor dem Menschen über die Straßen krochen. Sie waren kraftlos und langsam, weil der Schwarze Tod sie genauso heimsuchte wie die Menschen.
    Vielleicht , so dachte sie, besteht ja noch Hoffnung, dass der Kelch diesmal an Lübeck vorübergeht .
    Ein Gaukler kam ihr mit seinem Wagen entgegen. Aber es war zu kalt und zu nass für seine Kunststücke und derben Späße. Offenbar wollte er nur möglichst schnell einen Unterstand für sich und den Esel, der seinen Karren zog, finden.
    Johanna erreichte schließlich eine Kreuzung. Vier Straßen trafen sich hier. Sie überlegte kurz, ob sie auf direktem Weg nach Hause gehen sollte oder zur Apotheke von Bruder Emmerhart. Die Marzipanherstellung durch Meister Andrea war inzwischen angelaufen, und der besondere Geschmack der süßen Medizin hatte sich unter den reichen Bürgern Lübecks bereits herumgesprochen. Zunächst waren die Lübecker eher zurückhaltend gewesen, es auch selbst zu probieren. Der hohe Preis spielte dabei natürlich eine große Rolle. Aber nachdem sich das Gerücht verbreitet hatte, dass Marzipan eine Ansteckung mit dem Schwarzen Tod verhindern könnte, war der Umsatz sprunghaft gestiegen.
    Die einzige Schwierigkeit bestand im Moment darin, genug Zutaten zu beschaffen, die Meister Andrea für sein Rezept benötigte. Und was diese Zutaten betraf, war der falsche Venezianer

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