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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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enteigneten Edelmann zu sagen, dass es keinerlei Sinn hatte, sich weiter um sie zu bemühen, da sie bereits dem Herrn versprochen war und ihr Leben in Armut und Keuschheit zu verbringen gedachte. Sie hätte ihm sagen sollen, dass all die Galanterie, die er an den Tag legte, bei ihr vollkommen verschwendet war und er besser daran tat, sich um irgendeine der anderen Delegiertentöchter zu bemühen. Davon gab es in Köln nämlich derzeit nicht wenige. Schließlich war so ein Hansetag nicht nur eine Möglichkeit, Einigkeit über handelspolitische Fragen unter den in der Hanse verbundenen Städten zu erzielen. Eine derartige Zusammenkunft war auch ein Heiratsmarkt. So viele standesgemäße Partien gab es selten an einem Ort. Auch wenn sich die reichen Stadtbürger in vielerlei Hinsicht von den adeligen Herrschaften unterscheiden mochten, in einem verfuhren sie ähnlich. Sie pflegten ihre Macht und ihren Einfluss gegebenenfalls durch Hochzeiten auszudehnen.
    »Möglicherweise sollte ich mich einmal bei Eurem Vater vorstellen«, sagte Frederik. »Lübeck ist die wichtigste Stadt der Hanse und die unbestrittene Führungsmacht. Es wäre für uns sicher interessant zu erfahren, welche Ziele die Vertreter Eurer Stadt hier in Köln verfolgen. Vielleicht ließen sich gemeinsame Interessen zwischen Schweden und Lübeck ausloten.«
    »Mein Vater ist nur Ältermann der Schonenfahrer, nicht der Bürgermeister.«
    »Aber ein Ältermann der Schonenfahrer besitzt großen Einfluss, und auch der Bürgermeister wird sich anhören, was er zu sagen hat.«
    »Ich werde mit meinem Vater über Euer Anliegen sprechen«, versprach Johanna.
    »In welchem Gasthof residiert Ihr?«
    »Das Gasthaus heißt ›Großer Hahn‹ und gehört einem Mann, der Peter vom Großen Hahn genannt wird. Fragt danach, wenn es Euch ernst ist.«
    »Das werde ich«, versprach Frederik. Dann trennten sie sich. Aber Johanna blieb nach ungefähr zwei Dutzend Schritten noch einmal stehen und drehte sich um.
    Von Frederik war allerdings nirgends etwas zu sehen. Er war in der Menge der Passanten, Bettler und Handwerker verschwunden. Ein großer Ochsenkarren verstellte ohnehin die Sicht. Er war mit langen Balken für das Gerüst beladen, das sich schon teilweise am Domgemäuer emporrankte.

F ünftes K apitel

    Eine wichtige Nachricht trifft ein
    Am Abend fertigte Johanna noch die fünffache Abschrift eines Briefes an, den Moritz von Dören an befreundete Ratsherren aus Danzig, Stralsund und Riga aushändigen wollte. Die Verhandlungen unter den Hansestädten hatten kaum begonnen, da zeichnete sich bereits ab, was der schwierigste Punkt sein würde. Wie so oft ging es ums Geld – in diesem Fall darum, wer letztlich wie viel beizutragen hatte, wenn man sich tatsächlich entschloss, gegen Waldemars Eroberungspolitik vorzugehen. Da Moritz von Dören gute Beziehungen zu maßgeblichen Ratsherren der Ostseestädte besaß, war ihm die Aufgabe zugefallen, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
    Grete hatte versucht, Johanna bei den Abschriften zu helfen, aber die Schrift der älteren Tochter war einfach zu ungelenk. Und abgesehen davon hatten die Briefe absolut gleichlautend zu sein. Es durfte sich kein Fehler einschleichen, der möglicherweise Anlass zu Missverständnissen geboten hätte.
    »Ja, du warst schon immer die bessere Schreiberin von uns beiden«, gab Grete zu. »Obwohl du jünger bist, hast du es früher gelernt, und wenn man dir dabei zusieht, hat man den Eindruck, dass die Buchstaben sich ganz von selber formen, wenn du die Feder führst! Bei mir hingegen kommt immer etwas dabei heraus, was …« Sie zuckte mit den Schultern. »Nur ungefähr so aussieht, wie es eigentlich aussehen sollte. Um diese Fähigkeit habe ich dich immer beneidet, Johanna, weißt du das?«
    »Es ist kein besonderes Talent«, erwiderte Johanna. »Ich habe einfach nur viel mehr Übung darin als du, das ist der einzige Unterschied.«
    »Und für diese provozierende Bescheidenheit könnte ich dich ohrfeigen, Schwesterherz.«
    »Wie?«
    »Du kannst nicht nur besser schreiben, du bist auch so heilig, dass man kaum glauben kann, dass es so etwas gibt.« Grete lachte. »Selbst dem Marzipan konntest du widerstehen, das habe ich nicht vergessen. Erinnerst du dich?«
    »Aber erst, nachdem ich schon einiges davon gegessen hatte«, schränkte Johanna ein. Sie sah von ihrer Arbeit auf.
    Die beiden Schwestern befanden sich in einem engen Dachzimmer des »Großen Hahn«, das eigentlich eine Abstellkammer

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