Die Kaufmannstochter von Lübeck
natürlich nicht meine Entscheidung, wie bei diesem Fest mit den Bettlern und Hungerleidern verfahren werden soll«, lenkte Baltus ein, während sein Lächeln so breit wurde, dass es fast von einem Ohr zum anderen reichte. »Aber Lübeck ist ja eine vergleichsweise kleine Stadt, vielleicht gibt es dort dieses Problem nicht in derselben Ausprägung wie hier zu Köln.«
»Eigentlich hatte ich gehofft, dass die Hochzeit im Dom stattfinden könnte, wenn ich schon fernab der Heimat heirate«, sagte Grete seufzend und warf ihrem Vater einen bittenden Blick zu.
Aber dieser Punkt war bereits oft genug besprochen worden, wie Moritz von Dören fand. »Für die Zahl der Gäste wäre das nicht angemessen«, sagte er. »Und davon abgesehen wäre der Fußmarsch durch die halbe Stadt zu weit. Alle Eingeladenen hätten ihre Festgewänder bereits mit dem Dreck der Straße besudelt.«
»Ja, die kölnischen Pferde scheißen mehr als andere«, sagte Baltus, merkte aber schon im nächsten Moment, dass niemand unter den anwesenden Lübeckern dies als eine lustige Bemerkung ansah.
»Grete, ich habe vorgestern noch einmal mit einem Vertreter des Domkapitels gesprochen. Die Reliquien, die dieser Dom beherbergt, machen es sehr teuer, wenn wir ihn für unsere Zeremonie beanspruchen wollten. Und davon abgesehen gab es in der Vergangenheit wohl auch gewisse bisher nicht ausgeräumte Differenzen zwischen dem Haus von Brugsma und den Domherren.«
»Da ging es sicher um den Weinhandel«, vermutete Baltus.
»So ist es«, bestätigte Moritz, ohne den Blick von seiner Tochter zu wenden. »Die Kapelle wird dir gefallen. Johanna und ich haben sie vor ein paar Tagen schon besichtigt.«
Grete wandte sich an Johanna. »Davon hast du mir gar nichts erzählt.«
»Ich dachte, du siehst dir erst den prächtigen Festsaal an und anschließend die Kapelle.«
»Du wolltest mich nicht enttäuschen.«
»Du solltest auf gar keinen Fall enttäuscht sein«, sagte Johanna. »Schließlich bekommst du einen Mann aus gutem Haus und hast ein gesichertes, standesgemäßes Leben vor dir.«
»Natürlich.«
»Und das ist es doch, wovon du immer geträumt hast, oder?«
Die beiden Schwestern wechselten einen kurzen Blick. Dann nickte Grete. »Du hast recht«, sagte sie. »Gut, dass wir jemanden in der Familie haben, der so fromm ist wie du und einem ab und zu mal sagt, wenn man sich allzu sehr der Weltlichkeit hingibt.«
»So war das nicht gemeint, Grete«, versuchte Johanna, im Nachhinein ihren Worten die Schärfe zu nehmen, die von ihr in dieser Form gar nicht beabsichtigt gewesen war.
Gretes Lächeln wirkte etwas angestrengt.
»Nein, nein, ich verstehe schon, wie das gemeint war«, versicherte sie. »Aber vielleicht ist es auch nicht nur heiliger Eifer, der dich so reden lässt, Schwester.«
»Was soll das denn nun heißen?«, fragte Johanna und musste unwillkürlich schlucken. Sie kannte Grete nämlich gut genug, um vorauszuahnen, worauf ihre Schwester anspielen wollte.
»Hört jetzt auf«, schritt nun Moritz von Dören ein, allerdings eher halbherzig. Das Temperament seiner Töchter zu dämpfen hatte er auch früher schon nicht vermocht. Dazu war seine eigene Art wohl zu bedächtig.
»Ist Neid nicht auch eine Sünde, Johanna?«, fragte Grete. »Und könnte es nicht sein, dass es nur der blanke Neid und nicht frommer Eifer ist, der dich so reden lässt?«
»Grete, das ist Unsinn!«, erwiderte Johanna.
»Wenn du deinen Entschluss wahr machst und in ein Kloster eintrittst, dann wird niemand jemals für dich eine Hochzeit ausrichten. Vielleicht ist dir das erst jetzt richtig klar geworden.«
»Nein, Grete, es würde mir niemals einfallen, aus diesem Grund Neid zu empfinden.«
»Schluss jetzt«, schritt Moritz von Dören ein. Es war nicht oft vorgekommen, dass er gegenüber seinen Töchtern einen wirklich energischen Ton angeschlagen hatte. Umso größer war daher die Wirkung. Obwohl beiden Schwestern noch so manches auf der Zunge gelegen hatte, was seit langem unausgesprochen zwischen ihnen stand, sagte jetzt keine von ihnen ein Wort.
Als Johanna sah, dass Baltus verlegen den Blick abwandte und so zu tun versuchte, als hätte er das alles nicht gehört, stieg Scham in ihr auf. Es war wohl wirklich nicht der richtige Augenblick, um diese Dinge zu sagen, ging es ihr durch den Kopf. Und die dunkle Röte, die inzwischen Gretes Gesicht überzogen hatte, sprach wohl dafür, dass sie ähnlich empfand.
»Wir sind uns also einig«, stellte Moritz von Dören dann
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