Die Kaufmannstochter von Lübeck
ließ.
Es war niemand anderes als Frederik von Blekinge, der sie angesprochen hatte.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, Euch zu treffen«, behauptete sie. Eine Lüge! Der Herr hat es hoffentlich nicht gehört, ging es ihr gleichzeitig durch den Kopf. Bist du nicht seinetwegen hier? Oder wirklich nur, um ein Stück von den vermeintlich wieder völlig überwürzten Rebhühnern zu ergattern?
Frederik trat näher. Die Hand schloss sich um den Griff des Schwertes, das er an der Seite trug. Es wirkte beinahe so, als müsse er sich in diesem Moment an irgendetwas festhalten. »Es war keineswegs meine Absicht, Euch zu beunruhigen, Johanna«, erklärte er.
»Ach, wirklich?«
Er lächelte. »Mein Ehrenwort darauf.« Dann wurde sein Blick ernst, und er sah sie auf eine fordernde Weise an, die sie im ersten Moment zurückschrecken ließ, ihr aber gleichzeitig einen wohligen Schauder über den Rücken jagte. Eine Empfindung, die sie sich eigentlich nicht hatte erlauben wollen.
»Also gut«, sagte er dann in gedämpftem Tonfall. »Ich will ehrlich sein, Johanna, und ich hoffe, Ihr seid es dann auch.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Ihr sprecht.«
»Das bezweifle ich!«
»Aber …«
»Euer Antlitz geht mir nicht mehr aus dem Kopf, seit ich Euch im Dom begegnet bin. Meine Gedanken kreisen ständig um Euch und … Ich sehe es in Euren Augen, Johanna. Denn im Gegensatz zu Eurem Mund lügen die nicht.«
»Ich gehe jetzt wohl besser.«
Er fasste sie am Arm, und ihr Versuch fortzugehen blieb mehr als halbherzig. Sie sahen sich an. Eine Welle von völlig ungeordneten Empfindungen und Gedanken überkam Johanna.
»Du willst mich ebenso wie ich dich«, sagte Frederik und gab sich nicht einmal mehr die Mühe, die förmliche Redeweise zu benutzen. Er zog sie zu sich heran. Nur eine Handbreit war jetzt noch zwischen ihnen, zweifellos standen sie sich in diesem Moment viel näher, als dass man es auch beim besten Willen noch als schicklich hätte bezeichnen können. Einerseits hätte Johanna sich am liebsten losgerissen – aber da war eine andere Kraft in ihr, die stärker war und das Gegenteil wollte, sich vielleicht sogar wünschte, dass er sie vollkommen an sich heranzog und sich ihre Körper berührten. Ihre Brust hob und senkte sich, ihr Atem ging schneller als gewöhnlich, und sosehr sie auch das Gefühl hatte, jetzt etwas sagen zu müssen, so wenig wollten ihr die passenden Worte einfallen. Wäre ich ihm nur nie begegnet , dachte sie. Und dann war es auch noch ein Gotteshaus, in dem wir uns das erste Mal sahen!
Wenn das nur kein Zeichen war.
Er ließ ihren Unterarm los. In dem Moment, als sich sein Griff lockerte, bedauerte sie das schon beinahe.
»Du suchst den Beistand Gottes für dich und erhoffst dir Hilfe im Gebet?«, hörte sie ihn sagen. »Das tue ich auch.«
»Bei mir sind es reine Dankgebete«, erklärte sie. »Ich habe einst die Pest überlebt, und seitdem stehe ich in der Schuld des Herrn.«
»Und ich stehe in der Schuld des Herrn, weil er mich mit einer Frau wie dir zusammengeführt hat.«
»Redet nicht so einen Unsinn«, wehrte sich Johanna, und schon während sie seinem Blick begegnete, wurde ihr klar, wie lächerlich ihre vornehme Redeweise in diesem Moment klingen musste.
»Ich werde am frühen Abend wieder im Dom sein«, kündigte Frederik an. »Und ich bete dafür, dass du auch dort erscheinst.« Er lächelte, drehte sich um und ging. Einer seiner Begleiter aus dem Trupp des schwedischen Königs rief nach ihm. Da er die Sprache seiner Heimat benutzte, verstand Johanna kein Wort. Aber der Mann hielt zwei Rebhuhnschenkel in den Händen, von denen er Frederik einen weiterreichte.
Johanna sah ihm nach.
Verwirrung war gar kein Ausdruck für das, was sich im Moment in ihrem Inneren abspielte.
Die Beratungen wurden am Nachmittag nicht mehr aufgenommen. Nach dem reichhaltigen Essen waren die Gemüter zwar etwas abgekühlt, aber die Kölner Bürgermeister verkündeten als Vorsitzende des Hansetages, dass erst am nächsten Morgen weiter konferiert werden sollte. Moritz vermutete zunächst irgendeine ausgeklügelte Taktik dahinter, aber Johanna bekam später mit, wie Mathias Overstolz zu einem anderen der Ratssendboten sagte, dass er einer geschäftlichen Sache wegen am Nachmittag verhindert sei.
Johanna musste danach die ganze Zeit an Frederiks Worte denken – und daran, dass er sie am Abend im Dom erwartete. Sie war sich nicht darüber im Klaren, was sie tun sollte. Die Verwirrung in
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