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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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zurück. Dann wandte er sich an Johanna und bedachte sie mit einem durchdringenden Blick, der die junge Frau unwillkürlich schaudern ließ. »Ich denke, Eure Tochter wird sowohl Gott als auch sich selbst gründlich befragt haben, bevor sie sich entschlossen hatte, ein Gelübde abzulegen, das sie vielleicht irgendwann bereuen könnte, verehrter Moritz!«
    »Worauf Ihr Euch verlassen könnt, Emmerhart«, erwiderte Johanna. »Aber sagt selbst: Ich wurde von der Pest geheilt. Hat nicht auch der Herr Jesus seine Jünger immer wieder durch Heiltaten davon überzeugt, dass er der Sohn Gottes ist?«
    »Fürwahr. So habt Ihr anscheinend doch einiges von dem behalten, was ich Euch im Unterricht beigebracht habe, Johanna.«
    »Ich war immer eine aufmerksame Zuhörerin.«
    »Das stimmt. Aber was ich gesagt habe, trifft ebenfalls zu, und ich hoffe, dass Ihr auch diesmal aufmerksam wart, Johanna!«
    In diesem Augenblick bemerkte Johanna ein Augenpaar, das auf sie gerichtet war. Es gehörte Frederik von Blekinge, der sich in der Menge derer befand, die gerade aus dem Saal strömten. Auf Grund seiner Größe überragte er die meisten anderen, und so konnte sein Blick sie ungehindert erreichen.
    Johanna schluckte unwillkürlich. Tief in ihrem Inneren begann sie zu ahnen, dass sie vielleicht weder den Herrn noch sich selbst ausreichend befragt hatte, um sich ihrer Berufung wirklich sicher sein zu können. Oder war das vielleicht nur eine momentane flüchtige Stimmung?
    In jedem Fall war es sehr verwirrend.
    Ich sollte nicht an meinem Entschluss zweifeln, dachte sie. Er ist richtig. Die einzig angemessene Antwort auf die Gnade des Lebens, das mir geschenkt wurde, ist es, dieses dem Dienst am Herrn zu widmen. Vollkommen. Und ohne Wenn und Aber.

S iebtes K apitel

    Hochzeitsvorbereitungen und eine Versuchung
    Moritz von Dören und Bruder Emmerhart wurden von einem Ratsgesandten aus dem kleinen Hansestädtchen Attendorn in den Bergen des Sauerlandes angesprochen. Es handelte sich um einen freundlich aussehenden, rundlichen Mann mit blond gelocktem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, während auf seinem Haupt bereits eine Glatze im Licht der durch die Fenster des Saals hereinscheinenden Sonne glänzte. Moritz und Emmerhart schienen ihn gut zu kennen. Sein Name war Jakob, er hatte es erst am vorhergehenden Abend bis nach Köln geschafft und dann in einem Stall übernachtet. Johanna wurde ihm kurz vorgestellt.
    Und wie schon einige Male zuvor musste sie auch diesmal versichern, nicht jene Tochter des Moritz von Dören zu sein, die in Kürze heiraten würde.
    Die Männer hatten sich offenbar viel zu erzählen. Johanna konnte sich dunkel daran erinnern, dass Jakob aus Attendorn vor Jahren auch einmal nach Lübeck gereist war und im Haus der von Dörens übernachtet hatte.
    »Ich habe inzwischen doch etwas Hunger und werde mich bemühen, nicht ganz leer auszugehen«, sagte sie zur Entschuldigung, um sich entfernen zu können. Und mit Blick auf Bruder Emmerhart fügte sie hinzu: »Den späteren Genuss von Heilmitteln zum Zweck der Prüfung schließt das natürlich keineswegs aus.«
    »Das freut mich zu hören«, sagte Emmerhart. »Wir werden alle einen feinen Geschmackssinn beweisen müssen. Und darüber hinaus ergeben sich vielleicht ganz neue geschäftliche Möglichkeiten.«
    Johanna konnte ihr Erstaunen darüber, wie dieser Mönch mit einer weltlichen Selbstverständlichkeit über Geschäfte sprach, kaum verbergen.
    »Wir werden sehen«, sagte Johanna, während sie sich aus dem Saal begab. Das Gedränge hatte sich inzwischen zwar etwas verlaufen, aber in den weiten Fluren des Rathauses herrschte Hochbetrieb. Einige Bettler hatten es bis hierher geschafft und versuchten nun, die hohen Herrschaften davon zu überzeugen, dass sie ihrer Christenpflicht zur Mildtätigkeit gegenüber Armen am besten gleich hier und jetzt nachkamen. Mancher hoffte wohl auch, etwas von dem Mahl abzubekommen, das für die Ratssendboten aufgetischt war. In dem unübersichtlichen Durcheinander war es gar keine Schwierigkeit, sich unter die angereisten Vertreter der Städte und das zur Ausrichtung des Mahls angestellte Gesinde zu mischen. Die Wächter am Rathauseingang hatten zwar die Weisung, keine Unbefugten hereinzulassen, aber die drückten oft ein Auge zu, und ihre Wachsamkeit ließ manchmal auch zu wünschen übrig.
    »Ich habe schon gedacht, Ihr verlasst den Saal gar nicht mehr«, hörte Johanna plötzlich eine Stimme, die sie regelrecht zusammenzucken

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