Die Kaufmannstochter von Lübeck
mit seiner ruhigen, sonoren Stimme fest. Es war derselbe Tonfall, der bei ihm auch nach jedem zu seiner Zufriedenheit abgeschlossenen Handel zu hören war.
»Wir beide sind uns gewiss einig«, gab Baltus Kernbrink mit einem Blitzen in den Augen zurück. Ob das für deine Tochter gilt, weiß ich allerdings nicht , schien sein Blick stumm hinzuzufügen. »Ihr findet in ganz Köln keinen Ort, der besser für Euer Fest geeignet wäre, Moritz. Glaubt mir.«
»Das glauben wir gerne. Wir haben nämlich schon mit verschiedenen anderen Leuten gesprochen und unterschiedliche Angebote erwogen.«
»Ihr hättet gleich zu mir kommen sollen, Moritz.«
»Mag sein.«
»Ich meine es ernst, werter Moritz. Vermutlich waren die anderen Räumlichkeiten, die Ihr in Augenschein genommen habt, nichts als bessere Pferdeställe.«
»Durchaus nicht. Wir waren uns sogar mit dem einen oder anderen schon handelseinig, aber anstatt zu ihrem Wort zu stehen, haben diese Ehrlosen es vorgezogen, ihr Haus in der Zwischenzeit an eintreffende Ratsgesandte und ihr Gefolge zu vermieten. Und ja, es mag wohl sein, dass inzwischen manche Festhalle deshalb als Pferdestall dient.«
Baltus’ Augen wurden schmal.
»Wann wird denn Euer Schwiegersohn mit seinem Gefolge erwartet?«, fragte er. »Es dürfte nicht ganz einfach sein, zurzeit noch Unterkünfte zu bekommen, und wenn ich Euch auch in dieser Sache ein Angebot unterbreiten dürfte …«
»Darauf werde ich gerne zurückkommen«, nickte Moritz.
Baltus setzte wieder sein breites Lächeln auf, das Johanna inzwischen als falsch empfand. »Nicht, dass es sich Euer zukünftiger Gemahl in der Zwischenzeit anders überlegt hat und Euch schmählich versetzt«, wandte er sich an Grete.
Diese musste unwillkürlich schlucken. Ihre Stimmung war im Moment wegen des vorhergehenden Streits ohnehin nicht die beste, und so hatte sie auch keinen Sinn für Baltus’ eigenartigen Humor.
»Keine Sorge, das wird schon nicht geschehen«, murmelte sie in einem spitzen Tonfall.
A chtes K apitel
Der falsche Venezianer
Nach der Besichtigung des Festsaals im Haus von Baltus Kernbrink ging Moritz van Dören zusammen mit seinen beiden Töchtern und Bruder Emmerhart zur Schenke »Zum kleinen Sünder«.
»Hier wohnt Andrea Maldini aus Venedig«, sagte Emmerhart. »So nennt er sich jedenfalls, seit er einige Jahre in Italien verbracht hat. Sein früherer Name lautet Joop van Cleve, und er kommt hier aus diesen Landen. Aber er hat es gelernt, die süßeste Medizin so herzustellen, wie man es sonst nur in Venedig vermag.«
»Das ist also der Mann, von dem Ihr gesprochen habt?«, fragte Johanna.
»Ihr werdet sehen, dass ich nicht übertrieben habe, als ich seine Kunst rühmte!«
»Das klingt wahrhaft vielversprechend«, meinte Moritz. »Und wenn er wirklich etwas taugt, dieser Marzipanmacher, dann wird sich daraus sicher Gewinn schlagen lassen.«
»Dann sollte sich niemand von uns die Gier nach Süßem zu sehr anmerken lassen«, empfahl Johanna.
Bruder Emmerhart lächelte wissend. »Auch wenn ein so frommes Kind, wir Ihr es seid, sich diese Schwäche nicht so leicht verzeiht – der Herr wird es gewiss tun!«
Aus dem Inneren der Schenke war lautes Lärmen zu hören. Ein angetrunkener Zecher taumelte aus der Tür heraus, glotzte zuerst Bruder Emmerhart mit großen Augen an, bekreuzigte sich anschließend und stierte dann die beiden Töchter des Hauses von Dören auf eine Weise an, die mehr als schamlos war. Dann rülpste er laut und wankte davon.
Ich muss mich doch sehr wundern, an was für verrufenen Orten Bruder Emmerhart Bekanntschaften schließt, ging es Johanna durch den Kopf, ohne dass sie auch nur im Traum daran gedacht hätte, dies offen auszusprechen.
Aber der Geistliche schien ihre Gedanken auch so erraten zu haben.
»Ja, ich weiß, dass dies alles andere als ein vornehmer Ort ist, Johanna«, erklärte er. »Aber niemand kann zur Zeit eines Hansetages bei der Auswahl seiner Unterkunft besonders wählerisch sein, und wir können uns glücklich schätzen, nicht selbst hier übernachten zu müssen.«
»Ich möchte diesen Joop kennenlernen«, sagte Johanna.
»Nennt ihn bitte niemals so«, sagte Bruder Emmerhart. »Er nennt sich Andrea, und auch wenn das aus ihm noch lange keinen Venezianer macht und Plattdeutsch wohl die einzige Sprache ist, die er richtig versteht, sollten wir ihm diesen Gefallen tun!«
Sie folgten Bruder Emmerhart in das Innere der Schenke. Der Mönch bewegte sich dort mit einer
Weitere Kostenlose Bücher