Die Kaufmannstochter von Lübeck
Glauben.«
Johanna konnte sich jetzt gut vorstellen, was Emmerhart von ihr wollte. »Ihr erhofft Euch, dass ich meinen Vater nach Kräften beeinflusse, sich auf das Marzipan-Geschäft einzulassen.«
»Glaubt Ihr nicht auch, dass man sein Geschäft noch auf etwas anderes gründen sollte als nur Stockfisch, der noch dazu durch eine verhältnismäßig leicht zu blockierende Meerenge gebracht werden muss, was für Räuber wie den Dänenkönig geradezu nach einer Einladung aussieht, einem den gerechten Profit wegzunehmen?«
»Ich will Euch keineswegs widersprechen.«
»Euer Vater – das mögt Ihr mir verzeihen – ist ganz gewiss ein rechtschaffener Kaufmann, aber es fehlt ihm der Blick für die Zukunft. Mag Waldemar nun der Herr der Ostsee werden oder zum Teufel gehen – die Welt wird sich ändern, und man sollte sich darauf einstellen.«
»Dass ausgerechnet Ihr das sagt!«
»Wieso?«
»Ein Priester und Mönch, der doch wissen sollte, dass wohl noch in ewigen Zeiten Ostern gefeiert und der Bedarf an Fisch in der Fastenzeit niemals ganz gedeckt wird!«
»Wie gesagt, ich hatte den Eindruck, dass Ihr die Angelegenheit verstanden habt, Johanna. Besser als Euer Vater. Viel besser! Und Marzipan ist auch nicht gleich Marzipan! Wie oft wird sich die Gelegenheit wiederholen, einen Meister seines Fachs wie diesen Andrea zu gewinnen? Und Euer Vater zweifelt und rechnet wie ein kleiner Krämer, anstatt mutig zu sein!«
»Ich werde mit ihm sprechen«, kam Johanna Emmerhart entgegen. »Aber ich kann Euch nicht versprechen, ihn umzustimmen. Ihr wisst, wie eigenwillig mein Vater mitunter sein kann.«
Emmerharts Gesicht bekam jetzt einen so harten Zug, dass Johanna zusammenschrak. Sein ansonsten zu einem breiten Lächeln verzogener Mund wurde zu einem schmalen Strich. »Ihr solltet niemals vergessen, was ich für Euch getan habe«, sagte Emmerhart kühl.
»Keine Sorge. Das werde ich nicht.«
»Ihr könnt Euch außerdem darauf verlassen, dass ich auch weiterhin über die Dinge, die in der Nacht von Frederiks Flucht geschehen sind, schweigen werde.«
»Auch daran werde ich immer denken«, erwiderte Johanna ebenso kühl. Ich bin ihm jetzt ausgeliefert, dachte sie. Und es sieht ganz so aus, als würde er das nach Kräften ausnutzen wollen.
Später am Abend sprach Johanna mit ihrem Vater in dessen Kammer im »Großen Hahn«. Es war kaum möglich, mit ihm unter vier Augen zu reden, denn es war fast immer jemand in seiner Nähe: Brun Warendorp zum Beispiel, mit dem Moritz jetzt sehr viel zu besprechen hatte. Denn kaum war die sogenannte »Kölner Konföderation« gebildet worden, mussten weitere Schritte unternommen werden. Waldemar von Dänemark würde dem Haufen der Hansestädte nicht viel Zeit lassen, sich auf den Krieg vorzubereiten. Die Planungen mussten sofort beginnen, da Waldemar sich noch irgendwo auf dem Weg Richtung Süden befand, um so viel Beistand zu finden wie nur irgend möglich.
Aber schließlich waren Vater und Tochter endlich einmal allein und konnten sich ungestört unterhalten.
»Ich habe gehört, du bist dir nicht sicher, ob du diesen Meister Andrea tatsächlich mit nach Lübeck nehmen sollst«, begann Johanna das Gespräch.
»Seine Dienste würden uns eine Menge kosten«, gab Moritz zu bedenken. »Ich war anfangs von der Idee sehr angetan, aber inzwischen habe ich Zweifel.«
»Worin bestehen diese Zweifel?«
Moritz von Dören zog die Augenbrauen zusammen. »Dich schickt nicht zufällig unser gemeinsamer Beichtvater, Apotheker und Priester?«, fragte er misstrauisch.
Johanna lächelte verhalten. »Ich kann es nicht leugnen – Emmerhart hat mich gebeten, dich von der Sache mit Meister Andrea zu überzeugen.«
»Dieser hinterlistige Mönch! Er weiß genau, wie er kriegt, was er will. Und ehrlich gesagt ist das auch einer der Gründe, weshalb ich noch zögere.«
»Das musst du mir erklären. Denn wenn du grundsätzlich zu dem Schluss kommst, dass es eine lohnende Investition ist, diesen falschen Venezianer nah Lübeck zu holen, dann sollten wir das auch tun.«
»Ja – aber den größeren Vorteil hätte Emmerhart mit seiner Apotheke! Denn der Verkauf würde über ihn abgewickelt. Die Kosten hingegen müsste im Wesentlichen das Haus von Dören tragen, da Emmerhart dazu gar nicht in der Lage wäre.«
»Was sich dann doch auch in der Aufteilung des Gewinns niederschlagen würde.«
»Gewiss.«
»Es ist eine gute Sache, Vater. Der Hunger nach süßer Medizin ist schwer zu stillen, wenn er einmal
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