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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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der Wasserstand des Rheins um einiges gestiegen.
    Meister Andrea war auch dabei. Moritz von Dören war letztlich dem Rat seiner Tochter gefolgt, und das Lächeln von Bruder Emmerhart wirkte ausgesprochen zufrieden.
    Johanna schämte sich hingegen dafür, dass sie sich so von dem Mönch hatte einspannen lassen. Aber welche andere Wahl hätte sie gehabt? Das Schlimme war allerdings, dass die Geheimnisse um Frederiks Flucht sie auch in Zukunft an Emmerhart ketteten. Geheimnisse, die nicht ans Tageslicht kommen durften, wie Johanna sehr wohl wusste. Sie war erpressbar geworden, und wann immer Emmerhart von ihr einen sogenannten Gefallen einforderte, würde sie kaum eine andere Möglichkeit haben, als den Wünschen des Mönchs Folge zu leisten.
    In Bezug auf den Marzipanmacher Andrea war das halb so wild, denn sie war selbst der Meinung, dass man die einmalige Möglichkeit unbedingt nutzen musste, den falschen Venezianer nach Lübeck zu holen und sich dessen Dienste langfristig zu sichern.
    Aber inzwischen hatte Johanna durchaus verstanden, dass Emmerhart seine ganz eigenen Interessen verfolgte. Und es war nicht gesagt, dass sich diese auch in Zukunft immer mit ihren oder denen des Hauses von Dören decken würden.
    Irgendwann werde ich reinen Tisch machen müssen, dachte sie. Herr, hilf mir, dass ich dann die Kraft dazu habe, auch wenn es vielleicht unangenehme Konsequenzen nach sich zieht!
    Es gefiel ihr nicht, am Gängelband Emmerharts zu hängen. Und sie würde ganz sicher irgendwann dafür sorgen, dass dieser Zustand ein Ende hatte – und zwar ehe sie sich zwischen der Gefolgschaft zu Emmerhart und der Loyalität zu ihrem Vater entscheiden musste. Das durfte nie eintreten! So weit wollte sie es auf gar keinen Fall kommen lassen.
    Dass sie Frederik zur Flucht verholfen hatte, bereute sie jedoch nicht einen einzigen Augenblick. Von seiner Unschuld war sie nach wie vor felsenfest überzeugt, auch wenn sie sich in nachdenklichen Momenten eingestehen musste, dass sie dafür letztlich keinen Beweis hatte.
    Aber hatte sie nicht bisher auch immer der Stimme ihres Herzens vertrauen können?
    Sie glaubte einfach seinem Wort, so wie sie sich ihm auch in völligem Vertrauen hingegeben hatte. Ihre Gedanken waren fast immer bei ihm. Auch jetzt, als sie an Bord der bedenklich schaukelnden Rheinfähre stand, die mit einem über den Fluss gespannten Seil zum anderen Ufer geführt wurde. Wie mochte es Frederik in der Zwischenzeit wohl ergangen sein? Hatte er sich bereits in den Norden durchschlagen und ein Schiff nehmen können, das ihn nach Schweden brachte, wo er sich wohl weiterhin dem Kampf um die Rückgabe seines Familienbesitzes widmen würde?
    Wenn sie an ihn dachte, dann war ihr Herz voller Wehmut. Warum konnten zwei Menschen, die sich so sehr liebten und offenkundig füreinander bestimmt waren, nicht zur selben Zeit am selben Ort leben?
    Sie fragte sich, was Gott mit ihr vorhatte, dass er sie diesen Mann hatte treffen lassen. Zufall, so glaubte sie fest, konnte das nicht gewesen sein – und vielleicht, so hoffte sie inständig, würden sich ihre Wege irgendwann in der Zukunft wieder treffen.
    Die Strömung des breiter gewordenen Flusses zog unablässig an der Fähre, und ständig bestand die Gefahr, dass das Führseil riss und sie einfach mitgerissen wurde.
    Doch dann hatten sie endlich das andere Ufer erreicht.
    Johanna schwankte, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Sie stieg auf ihr Pferd, einen Schecken, der sie schon auf der Hinreise nach Köln treu getragen hatte.
    Meister Andrea hingegen hatte einige Schwierigkeiten, in den Sattel zu kommen. Einer der Söldner aus dem Gefolge von Bürgermeister Brun Warendorp, die die Gruppe während der Reise begleiteten und schützten, musste ihm helfen.
    »Den ganzen weiten Weg von Venedig hierher bin ich zu Fuß gegangen«, meinte Andrea. »Und jetzt muss ich auf so unbequeme Weise reisen – auf dem Rücken eines unkontrollierbaren Tieres, das so hoch emporragt, dass man sich den Hals brechen kann, wenn man davon herabstürzt.«
    »Ihr werdet das schon überleben, Meister Andrea«, spottete Bruder Emmerhart, der ein sehr geübter und sicherer Reiter war, was mit seiner ausgedehnten Reisetätigkeit zu tun hatte. Das Reisen zu Pferde war eigentlich hohen Herrschaften und vielleicht noch dem gehobenen geistlichen Stand vorbehalten, aber es passte ganz bestimmt nicht zu einem bescheiden lebenden Mönch; Bruder Emmerhart hatte aber für alles eine Rechtfertigung

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