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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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›einigend, weiblich, human, Friede ihr Mittel und Zweck.‹ Aber darauf folgt eine Phase, die einer ›immanenten Macht gehorcht, ausdrucksstark, hierarchisch, vielfältig ist‹ – im Sinne vieler Glaubensrichtungen oder Götter, nehme ich an – ›maskulin, hart und‹ – sein letztes Adjektiv – ›chirurgisch‹.« Jane, die ursprünglich bezweifelte hatte, dass sie Dinge von Belang erfahren würde, war nun sehr konzentriert.
    »Und es ist bemerkenswert«, fuhr der alte Gelehrte fort, »dass viele bedeutsame Epochen von einzelnen Persönlichkeiten eingeleitet werden, Weisen, wenn man so will, Jesus und Mohammed zum Beispiel. Die Beschreibung, die ich vorgelesen habe, könnte sich also auf den nächsten Avatara anwenden lassen.«
    »Avatara?«
    »Jemand, der die Prinzipien verkörpert, die eine Epoche ins Rollen bringen. Und der, dessen Ankunft nun fällig ist, hört sich nach einem ziemlich unappetitlichen Burschen an. Wie Yeats in den letzten beiden Zeilen von ›Der Jüngste Tag‹ fragt:
    Welch wüste Bestie, deren Stunde nun gekommen ist, Schlampt gegen Bethlehem in ihre Geburt?«
    Jane hörte so gespannt zu, dass sie ihre Notizen vergaß.
    »Unsere schöne neue Welt beginnt mit einem Zähnefletschen, wie mir scheint, und nicht mit einem Wimmern, hi, hi.« Er kicherte über seinen gelehrten Witz.
    »Dann glaubte Yeats also an die biblischen Prophezeiungen – über das Ende der Zeiten?«
    »Nein. Er hat, wie gesagt, die Geschichte nicht linear gesehen. Auch wenn dieses Gedicht letzten Endes auf der Wiederkunft Christi beruht, wie Matthäus sie beschreibt.«
    Die Chi-Rho-Seite aus dem Book of Keils – der Anfang des Matthäusevangeliums! »Hatte das Book of Keils eine Bedeutung für Yeats?«, fragte Jane so beiläufig wie möglich.
    Er sah sie verwundert an. Die Frage schien in keinem Zusammenhang mit dem zu stehen, worüber er gesprochen hatte.
    »Ja, natürlich. Und ob. Es verbindet das keltische Irland und Byzanz, für ihn die beiden perfekten Kulturen.«
    »Und was war so besonders an Byzanz?«
    »Er behauptete, dass im frühen Byzanz das religiöse, ästhetische und praktische Leben eine Einheit bildeten, wie vielleicht nie zuvor und nie mehr danach in der überlieferten Geschichte. Und ich habe noch einen Bibelverweis für dich: Er glaubte, die Architektur von Byzanz spiegle die Heilige Stadt wider, wie sie in der Offenbarung des Johannes beschrieben wird.«
    »Dann hat er also doch einige Seiten des Christentums akzeptiert?«
    »O ja. Aber nach christlichen Begriffen dürfte er ein Gnostiker gewesen sein, der an eine andere Offenbarung glaubte, als sie in den kanonischen Büchern des Neuen Testaments enthalten ist. Manches davon findet sich in den Apokryphen oder anderen unterdrückten oder längst vergessenen Texten. Er hat sicher auch Kenntnisse über verborgene Wissensquellen aus dem Rosenkreuzertum und der Theosophie aufgeschnappt.
    Yeats glaubte, dass das Christentum, als es nach Irland kam, dem Druidentum aufgepfropft wurde und viele Einsichten der alten Religion beibehalten hat, darunter auch die Idee der Reinkarnation – der Präexistenz der Seele, wenn man so will. Er dürfte zu seiner Zeit auch Theorien darüber gehört haben, dass die keltischen Klöster Zentren des Studiums der Alchimie und Magie gewesen seien. Oder dass die runden Türme, wie sie von den Mönchen erbaut wurden, mit der zarathustrischen Feueranbetung in Zusammenhang standen.«
    Jane war wie gebannt. Sie hatte seit zehn Minuten ihre Haltung nicht verändert. »Hat er christliche Heilige oder Mystiker verehrt?«
    »Hmm… der heilige Antonius der Wüste kommt in den Gedichten vor. Vermutlich weil seine strenge ägyptische Askese von den keltischen Mönchen übernommen und weiterentwikkelt wurde. Außerdem faszinierten ihn Berichte von Heiligen, deren Körper konserviert wurden. Wie Theresia von Avila, deren Körper angeblich duftendes Öl verströmte.«
    Jane begann wieder zu schreiben, sie notierte Stichwörter, die ihr helfen sollten, sich später zu erinnern. Sie wünschte, Liam könnte das alles hören. Mist, sie hätte ihren Recorder mitnehmen sollen.
    »Wie steht es mit anderen religiösen Symbolen… drei Engeln, zum Beispiel?«
    »Ich glaube, jetzt hast du mich drangekriegt. Lass mich nachdenken. Drei Bettler, ja, drei Einsiedler ebenfalls. Dann haben wir die Stücke. Du hast sicher Recht, in denen kommt so vieles vor. Die Gedichte… hmm. Warte mal. Gelten die drei Weisen auch? Wohl kaum.«
    »Was ist mit

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