Die keltische Schwester
Linien, die Danu mit dem Finger in den Sand malte.
»Und Houarn zog aus, um Silber zu erwerben, damit er Bellah endlich zur Frau nehmen konnte. Ein Salzhändler riet ihm, die Fee Groac’h auf der Insel Lok aufzusuchen, die reicher war als alle Königreiche zusammen. Aber er warnte ihn auch, dass bisher noch niemand von der Insel lebend zurückgekommen sei. Dennoch verkaufte Houarn seine magere Kuh und erwarb dafür ein Boot …«
»Dies ist das Boot?«
»Nein, diese Linie ist die Fee Groac’h. Sie warf ein silbernes Netz aus und fing den armen Houarn.«
Ein Schatten fiel über die beiden, und Angus räusperte sich leise.
»Ja, Angus, was gibt es?«
»Herrin, der Vorsteher schickt mich. Er lässt Euch bitten, zu Eurem Haus zu kommen, wenn Ihr Zeit habt. Er wünscht Euren Rat.«
»Nun, Arian, dann wollen wir für heute Schluss machen. Versuche die Geschichte bis hierhin zu behalten, morgen erzähle ich sie dir weiter.«
»Ja, Mutter.«
Danu stand auf und wischte sich den Sand von den bloßen Beinen. Sie sah jung und heiter aus, doch ihr Gesicht zeigte auch Spuren eines vergangenen Schmerzes. Leichtfüßig folgte sie dem blonden Jungen den steilen Weg zu dem Haus hinauf, wo vor der Tür ein breitschultriger, massiger Mann stand. SeineKleidung zeigte, dass er wohlhabend war, ein schwerer Silbertorques umspann seinen kräftigen Hals. Bei ihm warteten ein zartes Mädchen mit dunklen Haaren und ein blonder junger Mann.
»Bihanic, was führt dich zu mir?«
»Wichtige Entscheidungen, Danu.«
»Nun, dann wollen wir hineingehen. Komm.«
Danu bat ihn in das Dunkel des Häuschens. Zwei Zimmer hatte es, und wenige einfache Einrichtungsgegenstände standen darin. Von der Decke baumelten dicke Bündel trocknender Kräuter, über der Feuerstelle hing ein glänzender Kupferkessel. Bihanic setzte sich auf die Bank an den Holztisch, und Danu legte eine Schieferplatte und ein Kreidestückchen vor sich.
»Nun, sprich!«, forderte sie ihn auf.
»Ja, es ist so, dass meine Tochter Rozeann den jungen Cormac da draußen heiraten möchte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, dass unsere Töchter sich mit den Männern der Fremden verbinden. Sie sind schließlich erst seit vier Sommern bei uns. Wer weiß, ob sie bleiben werden. Und wer weiß, was sie für ein Blut vererben. Ich möchte es ihr verbieten, aber ihre Mutter und sie haben so lange herumgejammert, bis ich eingewilligt habe, Euch zu befragen.«
Um Danus Lippen spielte ein kleines Lächeln. Sie wusste, dass der starke Führer ihrer Gemeinde unter der Fuchtel seiner Frau stand.
»Gut, Bihanic, ich will sehen.«
Danu schloss, wie durch lange Übung erlernt, ihr rechtes, sehendes Auge und versank in tiefe Konzentration. Mit der rechten Hand tastete sie dann schließlich nach der Kreide und begann, eine Linie auf dem dunklen Schiefer der Tafel zu ziehen.
»Sewana, Tochter der Sirona, zog einst mit ihrem Mann von hier über das Meer auf die ferne Insel. Dort hatten sie Kinder und Kindeskinder …«
Auf der Tafel entstand ein Netz von Linien und Knoten, die wohl einzelne Generationen darstellten. Danu erläuterte jeden, bis sie schließlich zu dem letzten kam.
»… und hier ist Fionn, der Vater von Cormac, ein Spross der Indefine, der dritten Generation, deren Urgroßmutter Sewana war. Sein Blut ist unser Blut. Sein Faden kreuzt den von Rozeann. Eine gute Verbindung, eine glückliche Ehe.«
Gebannt folgte Bihanic der Linie, die aus der Verbindung der beiden entstand, und zählte mit staunenden Augen drei weitere Knoten.
»Nun, Bihanic, bist du zufrieden mit dem, was ich dir sagen konnte?«
»Ja … nun … es sieht so aus, als ob ich mit dem jungen Cormac einverstanden sein muss.«
»Wenn du deine drei Enkelkinder sehen möchtest.«
»Die drei … oh, die Linie hier!«
Bihanic setzte sich mit einem Ruck auf und strahlte.
»Dein Rat scheint mal wieder ein guter Rat zu sein, Danu.«
Sie lachte. »Ich wünschte, mein Rat wäre immer so leicht zu geben und meine Worte würden immer solche Freude auslösen. Lass die beiden jungen Leute deine Entscheidung wissen, sie werden ungeduldig warten.«
»Kannst du …«
»Ja, Bihanic, ich kann auch.«
»Danke. Es wird eine gesegnete Verbindung sein.«
Danu stand auf und begleitete den Vorsteher nach draußen. Dort, auf einer Steinbank vor der Tür, inmitten von blühenden Hortensien saß das junge Paar. Sehr sittsam und sehr beklommen. Danu ging auf sie zu und lächelte sie fröhlich an.
»Steht auf, Rozeann und
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