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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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strich ihm sacht über den Rücken.
    Der Dämon schnurrte.
    »Gut gemacht, Lindis. Hast du deine Tierliebe entdeckt?«
    »Die ist ganz neu.« Ich erzählte Robert beim Essen von meinen Ausflügen zum Streichelzoo. Auch von Karola und ihrer Tochter, von Beni und Teresa.
    »Teresa, ja. Wir kennen uns schon lange. Sie hat ganz schön was mitgemacht. Aber ich glaube, sie ist jetzt recht glücklich.«
    »Sie hat ein paar dunkle Bemerkungen zu Masken und Rollen gemacht.«
    Wir räumten den Tisch ab, und Robert legte Holz im Kamin nach.
    »Hat dich das zum Nachdenken gebracht?«
    Ich setzte mich mit meinem Rotweinglas in den breiten Sessel vor dem Feuer und überlegte meine Antwort. Bisher war unser Gespräch oberflächlich und ohne brisante Themen gewesen. Aber ich hatte eine gesunde Scheu davor, Robert auch nur einen winzigen Einblick in mein Gefühlsleben zu geben. Er konnte die kleinsten Risse nutzen, um sie zu bösartigen Wunden aufzureißen.
    »Komm, Dämon, setz dich wieder zu mir«, lockte ich den Kater. Erstaunlich, aber er folgte mir sogar und sprang auf meinen Schoß, wo er sich nach mehrmaligem Herumgetrampel auf meinem vollen Bauch zusammenrollte und in einen wohligen Schlaf zu versinken schien. Das Feuer zauberte rotgoldene Lichter auf sein warmes Fell. Sein Körper vibrierte von leisem Schnurren.
    »Hast du Angst, mir darauf zu antworten?«
    Oh, Roberts Samtstimme. Wie verführerisch! Schnurrend wie ein Kater. Er saß in dem anderen Sessel vor dem Kamin, Jeans, dickes Baumwollhemd, barfüßig.
    »Können wir ein anderes Thema wählen, Robert?«
    »Natürlich. Du hast die Wahl.«
    »Dann erzähl mir etwas von den Kelten!«
    »Ein weites Feld! Was im Besonderen?«
    »Die hiesigen.«
    »Schön, die hiesigen. Man vermutet, dass sie indoeuropäischen Ursprungs waren. In der Spätbronzezeit breiteten sich die sogenannten Urnenfeld-Leute vom Balkan her über ganz Europa aus. Sie gelten als die Vorläufer der Kelten. Etwa 700 vor unserer Zeitrechnung war die Hallstattkultur bis zu den nördlichsten Gebieten Englands vertreten. Frühe Eisenzeit, sie endete im fünften Jahrhundert. Danach kann man die Bewohner dieser Länder mit gutem Gewissen als Kelten bezeichnen.« Robert dozierte gerne, daran erinnerte ich mich. Aber er konnte auch gut und bildhaft darstellen, und ich bekam durch seine Schilderungen einen guten Überblick über die vergangene Kultur. Schließlich meinte er: »So, das wär’s im Schnelldurchgang.«
    »Interessant! Sie waren so weit verbreitet? Dann sind sie ja unsere Vorfahren.«
    »O nein, nicht nur. Danach kam wieder mächtig Bewegung in die Völker. Vielleicht hast du schon einmal was von Caesar gehört?«
    »Spotte nicht. Benis Geschichtslehrer nannte seinen ›Gallischen Krieg‹ tendenziös.«
    »Recht hat er. Leider haben wir aber nicht sehr viele ›untendenziöse‹ Berichterstatter, und es wurde auch dadurch nicht besser, dass die alten Knaben ständig voneinander abschrieben.«
    »Und die Kelten selbst nichts Schriftliches dazu beitrugen.«
    »Du weißt ja doch eine ganze Menge. Wie kommt dein plötzliches Interesse an den Kelten?«
    Meine Finger streichelten den Dämon mechanisch. Das Feuer knisterte leise und warf bewegliche Schatten. Wie weit konnte ich Robert trauen? Wie konnte er mein Eingeständnis der Träume nutzen, mir wehzutun?
    Und – konnte er mir noch wehtun?
    Oder – konnte ich das vielleicht jetzt sogar ertragen? War ich noch so verletzlich wie vor zehn Jahren?
    Aber wenn ich es nicht wagte, würde ich es nicht wissen. Ich holte tief Luft, und der Dämon, aufgeschreckt, sprang auf und hüpfte auf das Fensterbrett. Robert öffnete ihm, er war mit einem Satz draußen in der stillen Nacht verschwunden.
    »Du darfst das nicht persönlich nehmen, er hat wichtige Aufgaben draußen.«
    »Wer, oh, der Dämon? Sicher! Einer muss hier ja die Mäuse machen.«
    »Eben. Und jetzt – woher dein Interesse?«
    »Ich hatte einen Traum …«
    »So fangen viele Geschichten an. Erzähl mir deinen Traum, Lindis!«
    Diese Stimme, diese schmeichelnde, warme Stimme.
    Ich erzählte meine Träume.
    Robert unterbrach mich nicht. Er saß zurückgelehnt in seinem Sessel und drehte träge das Glas in seinen Händen.
    »So, das war die letzte Szene, daraufhin habe ich dir geschrieben.«
    »Ja. Ich dachte mir, dass da mehr hinter steckte als nur der freundliche Dank für einen Genesungswunsch. Du hast eine sehr authentische Schilderung der damaligen Zeit zusammenbekommen. Ich wünschte, ich könnte

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