Die keltische Schwester
versenkte mich in die Speisekarte.
»Vielleicht kann ich zur gleichen Zeit auch ein paar Tage freimachen. Wenigstens ein verlängertes Wochenende. Wie fändest du das?«
»Tu das, wenn du möchtest. Ich werde allerdings mit Beni unterwegs sein. Sie hat Ferien.«
»Mit Beni? Kann das Kind nicht woanders Ferien machen? Schick sie doch zu euren Eltern. Ich versteh sowieso nicht, warum du dir das Mädchen aufgehalst hast. Ständig ist mit ihr etwas anderes, weshalb du nicht wegkommst. Du entwickelst dich zu einer richtigen Glucke.«
»Ich habe ihr die Fahrt zum Geburtstag geschenkt.«
Ich nickte dem Kellner zu, der den Aperitif vor mich stellte, und nippte daran, um nicht mehr sagen zu müssen. Wulf erzählte mir inzwischen, dass am Montag zwei Kollegen aus der Bauabteilung eintreffen würden, eine Woche früher als geplant. Ich war ganz froh darüber, denn dann war ich im Büro nicht ständig mit ihm alleine.
Nach dem Essen wollte er mich dann noch zu einem Drink überreden, aber ich war müde geworden und lehnte ab.
»Lindis, sei doch nicht so spröde.« Sein Arm lag um meine Schultern. Ich machte mich los.
»Lindis, wenn du müde bist, ich habe auch noch eine Flasche Wein in meinem Zimmer.«
Es war wohl nötig, ein offenes Wort zu sprechen.
»Wulf, es wäre wohl besser, wenn wir zukünftig nur noch eine geschäftliche Beziehung miteinander hätten. Ich weiß, dass das nicht ganz einfach ist, aber ich denke, wir haben hier so viel Konfliktstoff, dass ich nicht auch noch persönliche Verwicklungen haben möchte. Bitte versteh mich, ja?«
»Wie du willst. Das hat dir wohl dein spinnerter Freund gesteckt, was? Seit wann triffst du dich hinter meinem Rücken eigentlich schon mit dem?«
»Gute Nacht, Wulf.«
Er packte mein Handgelenk schmerzhaft und hielt mich zurück.
»Gib mir Antwort! Du warst gestern Nacht bei ihm, nicht?«
»Wulf, ich kenne Robert Caspary seit fast zehn Jahren. Er ist ein alter Bekannter aus meiner Studienzeit. Und ich kann mich genauso oft und viel mit ihm treffen wie du mit Karola. So, und jetzt lass mich los, du tust mir weh.«
»Da habe ich ja recht gehabt. Du steckst mit ihm unter einer Decke. Aber warte, euch werde ich zeigen, wer hier gewinnt.« Mit einem Ruck, der mir fast den Arm auskugelte, riss er mich herum. »Sag diesem Schwachkopf das!«
Ein beinahe übermächtiger Wunsch, Wulf eine zu scheuern, kochte in mir hoch. Ich gönnte ihm stattdessen einen eisigen Blick, und er ließ mich endlich los.
In meinem Zimmer lief ich ein paar Minuten wütend auf und ab. Mein Blick blieb am Spiegel der Frisierkommode mit ihren kitschigen rosa Volants hängen, und, wie schon so oft vorher, schien mein Bild leicht verschoben zu sein. Ein klein wenig stand ich neben mir.
Ich starrte mich an, bis mir die Tränen in die Augen kamen. Warum, Lindis?
»Weil du eine Rolle spielst, die dir nicht liegt«, antwortete etwas in mir.
Und das Bild wurde wieder klar. Nur eine Lindis sah mich an. Ich seufzte erleichtert auf. Ja, das mochte die Ursache sein. Ich konnte mich mit dem Projekt nicht mehr identifizieren, und ich konnte für Wulf nicht die bewundernde Freundin sein, die er sich wünschte. Ich wusste es, aber trotzdem hatte ich das immer wieder versucht.
Ich mochte auch das Hotelzimmer nicht, und die Vorstellung, hier weitere Wochen zu verbringen, widerte mich an.
Zu den beiden letzten Problemen gab es eine Lösung. Wulfwürde ich aus dem Weg gehen, und einen Haustürschlüssel zu einer erheblich bequemeren Unterkunft hatte ich bereits in der Tasche. Auch wenn das nicht ganz frei von Spannungen war, es war das kleinere Übel, mit Robert unter einem Dach zu wohnen als hier mit Wulf.
Außerdem würde Beni sich freuen, dachte ich und musste ein bisschen gezwungen grinsen.
Bevor ich zu Bett ging, packte ich meine Koffer sorgfältig, und sehr früh am nächsten Morgen bat ich Madame um die Rechnung. Sie war zu gut erzogen, um nach den Gründen zu fragen, aber ihr Gesicht spiegelte die Neugier deutlich wider.
13. Faden, 1. Knoten
Robert war nicht da, und ich war froh, den Haustürschlüssel zu haben. Vorsichtig fuhr ich meinen Wagen über den holperigen Zufahrtsweg vor das Haus und trug meine Koffer hinein. Robert hatte wohl geahnt, dass ich kommen würde. Handtücher lagen bereit, mehr Decken waren aufgestapelt – und ein Strauß Hortensien stand auf der alten Truhe unter dem Fenster.
Ich räumte meine Kleider in Schränke und Fächer, dann suchte ich meine Bermudas und ein einfaches Hemd
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