Die keltische Schwester
Leuten treffen. Wahrscheinlich komme ich erst am Montag zurück.«
»Schon gut, Robert. Ich finde mich zurecht. Muss ich für den Kater etwas richten?«
»Du findest alles im Schrank, Dosenfutter und so. Aber du wirst seine allerbeste Freundin, wenn du ihm eine Schüssel Sahne hinstellst. Ansonsten ist er sehr selbständig.«
Er stand schon in der Tür, aber dann kam er noch einmal zu mir zurück.
»Du bist sehr mutig, Lindis«, sagte er und lächelte mich an. Ohne Spott, ohne Mitleid, einfach nur sehr liebevoll. Ich senkte beschämt den Kopf. War ich mutig gewesen?
Ich machte es mir in meinem Wohnzimmerchen gemütlich mit einer großen Platte Brot, Salat und Käse. Robert hatte für mich Fleischfresser auch Schinken mitgebracht. Der Dämon wusste diesen seltenen Genuss zu schätzen.
Fernsehen gab es bei Robert nicht, aber Bücher in Mengen. Ich hatte etwas herumgestöbert, um meine Kenntnisse des Keltischen weiter zu vertiefen, und hatte mich dann über einenaufwendig aufgemachten Bildband über Kunst und Kultur hergemacht. Mich begeisterten vor allem die wundervollen Schmuckstücke, die darin abgebildet waren. Die Halsreifen, die Torques also, waren von erlesener Schönheit, ungemein kunstvoll gearbeitete Goldringe, wie aus dünnen Schnüren gedreht oder mit filigranen Mustern verziert. Auch die Armreifen, Gürtelschnallen und Ketten, selbst die Schilde waren mit verschlungenen Ornamenten geschmückt. Doch Knotenmuster fand ich so gut wie keine.
Am Sonntag schlief ich lange und trödelte im Haus herum, später machte ich einen Ausflug zum Strand, der an diesem Tag sogar etwas belebter war. Es war tiefster Ebbstand, das Wasser hatte sich fast bis zum Horizont zurückgezogen. Ich wanderte weit über den sandigen Meeresboden, platschte wie die kleinen Kinder auch durch warme Pfützen und bückte mich dann und wann, eine besonders schöne Muschel aufzuheben.
Ich verspürte nach einiger Zeit Hunger und kehrte um. Auf dem Rückweg kam ich auch an Mère Morwennas Häuschen vorbei. Die alte Frau saß davor auf ihrer Bank und ließ sich von der Sonne wärmen. Sie winkte mir zu, und ich näherte mich, um sie zu begrüßen.
Mit ein paar einladend klingenden Worten wies sie auf die Bank. Ich setzte mich zu ihr. Warum auch nicht? Ich hatte ja Zeit. Außerdem waren meine Beine lahm vom langen Gehen im Sand. Müde streckte ich sie aus und wackelte mit den Zehen. Morwenna lachte und wies auf den Strand. Ich nickte, zog eine der skurrilen Muscheln hervor, die ich gefunden hatte, und gab sie ihr. Es schien, sie freute sich wie ein Kind darüber. Dann verschwand sie im Haus und kam kurz darauf mit einem Korb frischer Croissants zurück.
»Marie-Claire!«, murmelte sie und forderte mich auf zuzugreifen. Nichts hätte mir willkommener sein können. So saßen wir beide, eine uralte Bretonin und eine schmutzige, sandigeDeutsche, krümelnd und mit fettigen Fingern in der Sonne und verstanden uns ohne Worte.
Später verabschiedete ich mich und schlenderte noch ein Stück über die Wiese, um aus einer Laune heraus den alten Menhir zu begrüßen. Auch wenn Robert ihn nur als einen bloßen Stein betrachtete, für mich hatte er eine gewisse Bedeutung. Ich setzte mich ins Gras, lehnte meinen Rücken an ihn und beobachtete den Zug der Wolken am Himmel.
Sie zogen schnell, die Wolken, schneller und schneller, wirbelten auf und verdichteten sich zu einem weißen, sonnendurchleuchteten Nebel, der mich ganz umgab.
Dann ein Windstoß, und ich hatte wieder klare Sicht. Danu stand ganz in meiner Nähe. Bei ihr ein junges Mädchen und ein blonder Mann.
»Bitte, Mutter, lass uns darüber reden.«
»Nein, Arian. Ich will es nicht.«
Danu war älter geworden, erste graue Strähnen mischten sich unter ihr blondes Haar, aber sie war schlank und schön wie in jüngeren Jahren. Die drei gingen zu Danus Haus.
»Bitte, Herrin, sagt uns wenigstens den Grund.«
Danu schwieg, aber dann setzte sie sich vor dem Haus auf der Steinbank nieder, und die beiden jungen Leute nahmen auf dem sandigen Boden vor ihr Platz.
»Danu, Mutter! Du weißt, dass ich Angus liebe. Er ist jetzt zwei Jahre fort gewesen, aber das hat nichts daran geändert. Warum wehrst du dich dagegen?«
»Angus ist nicht von unserem Volk, Arian.«
»Ach, Mutter, auch Rozeann hat Cormac geheiratet, und andere Paare gibt es auch schon. Das kann doch nicht der Grund sein. Angus’ Vater war ein Fürst, ein Held, Elcmar war ein edler Mann. Du kannst nicht sagen, dass es eine unpassende
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