Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Karola nicht trauen. Können Sie am Montag irgendwie versuchen, kurz bei Dr. Koenig hereinzuschauen?«
    »Ich werde ganz einfach am Montag den ganzen Tag da sein. Es ist ein wichtiger Bericht zu schreiben.«
    »Susi, Sie sind ein Schatz.«
    »Nein, aber ich finde diese Intrigen hier nicht so charming.«
    »Mehr als der übliche Dreck, ich weiß. Schönes Wochenende trotzdem.«

Knoten 1. und 2. Faden
    Leider erreichte ich Koenig auch nicht mehr zu Hause, aber ich hinterließ ihm eine dringende Nachricht auf Band und Roberts Nummer.
    Dann zog ich mich um und setzte mich auf die Steinbank vor dem Haus. Robert ließ mich in Ruhe, ich musste wohl nicht sehr glücklich ausgesehen haben.
    Seit über einem Jahr hatte ich mit Kraft und Energie, mit meinem ganzen Einsatz an dem Projekt mitgearbeitet. Es war, abgesehen von meiner Meinung, ob ich die Anlage für gut befand, eine Aufgabe gewesen, der ich mich mit Engagement gewidmet und die mein Denken ausgefüllt hatte. Ich fühlte mich leer. Ziellos. Für mich war die Geschichte zu Ende. Vermutlich auch meine Zeit bei KoenigConsult. Wulf würde schon dafür sorgen.
    Anders als bei meiner vorherigen Stelle empfand ich einen riesigen Verlust bei dem Gedanken, diesen Job aufzugeben.
    »Lindis, geh zu dem Menhir«, sagte Robert neben mir.
    »Warum? Er ist doch nur ein alter Stein.«
    »Ja, aber er steht an einer wichtigen Stelle. Geh hin, Lindis, und lausche.«
    Warum nicht? Ich stand auf und ging die wenigen Schritte zu dem hohen Felsblock, der grau und irgendwie verlässlich in der Sonne stand.
    Wie lange ich zu seinen Füßen saß, wusste ich nicht. Der Wind streifte mein Gesicht, Käfer krabbelten über meine bloßen Beine, Licht flimmerte. Meine Gedanken beruhigten sich nach und nach. Ich hörte die Geräusche der Baustelle, Stimmen, Motorenlärm, Hämmern. Möwengekreisch und das Krächzen der Krähen. Ich lauschte und hörte das Meer rauschen, das leise Rascheln der Gräser. Fragmente des Netzplans tauchten vor meinen geschlossenen Augen auf, Tätigkeiten, ordentlich verknüpft miteinander, in strenger mathematischer Logik. Wie wenig sie der Wirklichkeit entsprachen! Wie viel fehlte in dem Netz, das ich gesponnen hatte! Morwenna war nicht darin enthalten, der Widerstand der Bevölkerung, Karolas Verehrung für Wulf, mein Rückzug aus dem Geschäft … Hätte ich das früher gewusst, würde ich dann Koenig eher geraten haben, die Finger von dem Auftrag zu lassen? Aber wie hätte ich Gefühle, Widerstände, Weigerungen planen können? Wie sinnlos meine Arbeit gewesen war!
    Muster entstanden vor meinen Augen, weniger streng als die Kästchen und geraden Striche des Netzplans. Verschlungene Muster, Knoten, Spiralen, ein Gewebe von breiten und dünnen Fäden, sich kreuzend, windend. Ein Muster, wie ich es schon unzählige Male gezeichnet hatte, wie Danu es auf Schiefer malte und in Sand schrieb. Doch irgendwie lebte dieses Geflecht, es schien sich zu ändern, zu schwingen. Aber dann erstarrte das Bild, wurde ruhiger, blieb bestehen, blieb als zarte Linien auf goldenem Grund vor meinen Augen.
    Ich lauschte, lauschte, dass es in meinen Ohren rauschte. Und dann hörte ich plötzlich die leise Stimme, die flüsterte:

    »Ich bin …
    Ich bin der Schoß, der Tod, das Leben.
    Ich bin das Netz, an dem wir weben.
    Ich bin Grund, dass alles werde.
    Ich bin die Erde.
    Ich bin.
    Höre!«

    Meine Hände lagen flach auf dem Boden, der Kopf lehnte an dem Menhir.
    Ich fühlte mich seltsam getröstet. Das Fädchen, das Lindis hieß, war noch immer da. Es suchte weiter seinen Weg durch das Gewebe der Welt.
    Ich sah die hässliche Baumaschine vorne auf der Landzunge. Sie störte mich.
    Meine Füße waren eingeschlafen und kribbelten, als ich aufstand. Aber das wurde nach ein paar Schritten besser. Dort, wo der Bauzaun begann, traf ich Jens und winkte ihn zu mir.
    »Hallo, Lindis, schon Feierabend?«
    »Ein paar Tage Urlaub, Jens.«
    »Recht hast du. Bleibst du hier?«
    »Ja. Darum hab ich eine Bitte. Ist das zwingend nötig,dass jetzt schon dieses Monster da vorne steht? Am Wochenende kommen doch viele Leute her, um sich am Strand zu vergnügen.«
    »Ach nein. Ich weiß nicht, warum Daniels Anweisung gegeben hat, die Kiste da hinzustellen. Ich lasse sie zurückfahren.«
    »Danke.«

    Es blieb eine Spur zurück, wo die Ketten die Grasnarbe aufgerissen hatten. Aber das war immer noch besser als das Metallungeheuer, das wie ein hungriger Drachen den Blick zum Meer versperrte.
    An diesem Abend malte

Weitere Kostenlose Bücher