Die keltische Schwester
mir noch ein oder zwei Tipps geben, wo Teresa ein hübsches Zimmer bekommen kann. Ich will ihr morgen ein paar Adressen nennen.«
»Nenn ihr diese hier.«
»Hier? Beni und ich belegen doch schon die beiden Schlafzimmer. Und Teresa auf der Klappcouch nächtigen zu lassen ist nicht besonders gastlich, sollte man meinen.«
»Liebe Lindis, dies ist ein Ferienhaus für zwei Familien mit sechs Kindern. Ich habe hier auch noch ein Schlafzimmer übrig.«
Es gab mir einen leisen Stich der Eifersucht. Waren die beiden so gute Freunde?
»Guck nicht so pikiert.«
»Sorry.«
»Wann kommen sie an?«
»Um neun in Brest.«
»Gut, ich hole sie dann ab.«
»Das kann ich doch auch machen.«
»Wie gut kennst du dich in Brest aus?«
»Okay, überredet!«
»Manchmal kannst du richtig einsichtig sein, Lindis.«
Ich grinste. »Nein, nur bequem!«
»Auch gut. Kannst du dir übrigens für morgen Abend etwas Zeit nehmen?«
»Sicher. Wofür?«
»Ich habe eine Verabredung mit Léon, und ich hätte gerne, dass du dabei bist.«
»Wer ist Léon?«
»Der Bürgermeister, Léon Callot. Wir gehen essen.«
»Nicht mehr lange, und man kann mich rollen.«
»Mh.« Robert musterte mich mit schräg geneigtem Kopf. »Nein, glaube ich nicht.«
»Na, hoffentlich hast du recht.«
Ich sah ihn auch an, seine unordentlichen Locken, sein braunes Gesicht, den schmalen Bart um Lippen und Kinn. Kleine Fältchen, dunkle, braune Augen …
Es zog mich zu ihm, sehr. Ich stand auf und ging um den Tisch herum. Es war lange her, die bösen Erinnerungen begannen zu verblassen, und nur die Wärme und die Vertrautheit blieben übrig.
»Robert, ich …«
Er drehte sich um und rückte ein Stück fort von mir.
»Verzeih mir, Lindis, aber ich muss jetzt noch ein Kapitel fertigmachen. Wir reden morgen weiter, ja?«
Ich schluckte. »Ja, gute Nacht.«
»Gute Nacht, Lindis. Schlaf gut.«
So sanft, so zärtlich – und doch war eine Grenze da, die nicht überschritten werden durfte. Ich wusste nicht, ob ich enttäuscht, verärgert oder traurig sein sollte. Aber als ich schließlich in meinem Bett lag, musste ich mir eingestehen, dass Robertnur mehr vernünftig gehandelt hatte. Wenn wir beide hier für eine Weile zusammen wohnen wollten, dann war das nur in einer distanzierten Form möglich. Hätte ich ausgesprochen, was mich bewegt hatte, wäre er gezwungen gewesen, mich zurückzuweisen. Doch das Wort, das nicht gesagt wurde, brauchte auch nicht zurückgenommen werden. Er hatte mich sozusagen vor mir selbst bewahrt.
5. Faden, 7. Knoten
Am nächsten Abend stand Robert in ungewöhnlicher Aufmachung in meiner Tür.
»Was ist denn jetzt passiert? Du in Anzug und Krawatte? Und ich hab kein Cocktailkleid dabei!«
»Was glaubst du, wie wohl ich mich darin fühle. Aber manchmal können die Franzosen extrem konservativ sein, und in dem Restaurant, in dem wir uns treffen, ist nun mal Krawattenzwang. Du kannst so bleiben, wie du bist.«
»Aber nein, jetzt schon gar nicht. Habe ich eine halbe Stunde Zeit, mich aufzuputzen?«
»Hast du.«
Mein goldbraunes Kostüm mit dem gelben Seidentop fand ich angemessen.
»Nicht schlecht. Pass nur auf, dass du dich an dem Jeep nicht schmutzig machst.«
»Na, den hättest du zur Feier des Tages auch waschen lassen können.«
»Der ist nach drei Metern sowieso wieder dreckig. Aber ich verspreche dir, dass er sich um Mitternacht in eine goldene Kutsche verwandelt. Oder so was.«
»Mist, und ich hab die gläsernen Schuhe heuer nicht an.«
Es war zwar nicht genau das, was ich mir wünschte, aber die leichte Kameradschaftlichkeit, die zwischen uns herrschte, war erträglicher als alles andere, was ich zuvor mit Robert erlebt hatte. Nur keine großen Gefühle, Lindis, warnte ich mich.
Callot begrüßte Robert herzlich und mich, wie ich mir einbildete, mit einem Hauch Zurückhaltung, wenn auch sein Benehmen überaus höflich und charmant war.
Der Küchenchef selbst erschien an unserem Tisch, es war eine echte VIP-Behandlung. Ich lehnte mich zurück und genoss diesen Part.
Léon und Robert schienen sich wirklich gut zu kennen, sie tauschten ein paar Neuigkeiten über gemeinsame Bekannte aus, soweit ich der Unterhaltung folgen konnte. Aber auch mich bezogen sie mit ein. Ich gab meine Antworten zum Wetter, den Schönheiten der Landschaft und vielem anderen mehr. Und ich wartete darauf, dass endlich das Thema des Abends zur Sprache kam. Als Diplomat bin ich nämlich eine Niete.
Es war beim Sorbet so weit.
»Madame Keroudy hatte
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