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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch nicht dort gewesen war. Am Waldrand zwischen den Feldern schmiegte sich ein kleines Dorf, eigentlich nicht mehr als ein paar strohgedeckte Häuser. Ihre Fensterhöhlen waren dunkel, es war still, alles schlief in dieser mondhellen Nacht. Doch dann sah ich, dass in dem letzten Haus ein Fenster golden leuchtete. Ich näherte mich.
    Hier herrschte mitten in der Nacht Betriebsamkeit. Schatten bewegten sich vor dem Licht, ein Stöhnen erklang, dann ein Schrei. Als ich nahe bei dem Haus war, hörte ich das protestierende Gewimmer eines Kindes. Eine grauhaarige Frau in einem langen, braunen Gewand hielt ein Neugeborenes in den Armen. Schrumpelig und rot noch, mit klebrigem Flaum auf dem Köpfchen. Ein kleines Mädchen hatte eben das Licht der Welt erblickt und wehrte sich ungnädig gegen die Trennung von seiner Mutter. Wehrte sich gegen die kühle Nachtluft und die Helligkeit des Feuers.
    Das Feuer wurde hell und heller, dass auch ich geblendet die Augen schloss.
    Als ich sie wieder öffnete, war es mitten am Tag. Ich war noch immer im selben Raum. Sonnenlicht fiel auf das Bettchen, eine hölzerne Wiege, in der in weichen Decken das Kind schlief. Das Mädchen schien bereits einige Wochen alt zu sein, das Gesichtchen war glatt und rosig, blonde Härchen bedecktenseinen Kopf. Es schlief ruhig, ohne sich zu bewegen, ein wenig zur Seite geneigt, ein Händchen unter der Wange. Durch das Fenster über ihm wehte ein sanfter Wind, der das Zimmer mit dem harzigsüßen Duft der Pinien füllte. Das Rauschen in den Bäumen, das Zwitschern der Vögel in den Ästen, das raue Schnarren einer Krähe waren die einzigen Laute, die zu hören waren. Sie störten den ruhevollen Schlaf des Kindes nicht. Zwei blaue Schmetterlinge tanzten in der Fensteröffnung, umflatterten einander mit schillernden Flügeln.
    Doch das lichte Viereck wurde plötzlich von einem schwarzen Schatten verdunkelt, ein hässliches Krächzen ertönte, und mit gespreiztem Gefieder ließ sich die Krähe darin nieder. Schwarz waren ihre Federn, schwarz die kleinen, glänzenden Augen, schwarz auch der scharfe Schnabel. Sie sah sich neugierig im Zimmer um und hüpfte dann auf den Rand der Wiege. Ich bekam Angst um das Kind und wollte den Vogel fortscheuchen, aber er nahm mich nicht wahr. Ich war nicht sichtbar für ihn. Und so musste ich hilflos mit ansehen, was dann geschah.
    Die Krähe hüpfte näher an das Kopfende der Wiege. Das kleine Mädchen bemerkte nichts, schlief ruhig seinen Kinderschlaf. Unerwartet und schnell machte die Krähe eine rasche, hackende Bewegung zu dem Gesichtchen, flatterte dann auf und kreischte triumphierend, als sie im Blau des Himmels verschwand. Dem Kind aber lief Blut aus dem linken Auge über die Wange, und schreiend legte es sein Händchen darauf.

    Ich wachte auf und hatte einen Moment Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden. Ich war zu Hause, in meinem Bett, musste ich mir zweimal sagen. Mein Wecker zeigte drei Uhr morgens, es war dunkel, das Fenster zugezogen. Kein verletztes Kind schrie, kein Vogel krächzte. Ich war zu Hause!
    Dennoch hielt mich das Entsetzen gepackt. Es war so erschreckendrealistisch gewesen. Farben, Laute, Gerüche, alles konnte ich jetzt noch fast wahrnehmen.
    Ich machte das Licht an und setzte mich auf. In Träumen verarbeitet man, was man tagsüber erlebt hat, sagte ich mir. Um mich zu beruhigen, stellte ich ein paar Überlegungen an, woher die Zutaten zu dem grausigen Film denn stammten.
    Die Kulisse war eindeutig, den Menhir hatte ich noch vor wenigen Tagen selbst berührt. Die altertümlichen Steinhäuser, auch sie waren dort gewesen, wenn auch der Traum ein paar Strohdächer hinzugefügt hatte, aber das war nichts, was ich nicht schon auf Bildern gesehen hatte. Das kleine Kind? Das war mit Sicherheit ausgelöst durch meinen Besuch bei Karola. Sie hatte mir ein Fotoalbum mit Bildern ihrer Tochter in jeder Stufe der Entwicklung gezeigt.
    Aber die Krähe? Hitchcocks »Vögel« hatte ich vor Jahren gesehen – das hatte doch wohl nicht heute noch Nachwirkungen? Da verbarg sich bestimmt etwas Tieferes hinter.
    Hatte ich mich wirklich so sehr über Jessika-Milena aufgeregt, dass ich ihr ein derartiges Schicksal wünschte?

3. Faden, 2. Knoten
    Es war am Freitag gewesen, als Beni die krakelige Zeichnung in meinem Aktenkoffer sah.
    »Oh, solche komplizierten Dinge macht ihr in der Firma? Das hat ja echtes Vorschulniveau. Oder verheimlichst du mir, dass ich bereits Tante bin?«
    »Mit Nichten.«
    »Eben.«
    Mit Beni

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