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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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begegnest.«
    »Habe ich eine Seele? Ich dachte, Frauen haben keine.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Nun, ist doch gängige Meinung der Männerwelt. Und was die sagen, stimmt doch.«
    »Darum vermutest du, meine Meinung sei das auch.«
    Ich konnte es nicht für mich behalten, und es kam sehr zornig aus mir heraus. Dabei wollte ich gar nicht auf diese Sache anspielen.
    »Wie mal jemand so richtig sagte – Robert ist ein Mann!«
    »Wie bitter, Lindis. Und ich hoffte schon, wir hätten das hinter uns.«
    Das Mondlicht umgab uns mit seinem kalten Glanz. Nahe standen wir uns, so nahe, dass ich die Wärme fühlte, die von Roberts bloßen Armen ausstrahlte. Er sah über mich hinweg, sein Gesicht unbewegt, nichts war darin zu lesen.
    Die Stimmung war umgeschlagen, die höfliche Schale abgefallen. Nichts war vergessen, nichts verheilt. Ich wartete auf ein weiteres Wort von ihm, aber er sagte nichts mehr.
    Ich drehte mich um und ging.

Knoten 1. und 2. Faden
    Der Pfad leuchtete hell im Schein des Mondes vor mir. Behutsam setzte ich Schritt vor Schritt. Doch meine Gedanken waren woanders, waren in einer Zeit, in der ich einst in Roberts Armen gelegen hatte, vertrauensvoll, erwartungsvoll, gefangen von seiner Kraft, bis ich dagegen aufbegehrte, mich wehrte gegen die Einflussnahme auf mein Leben und meine Ziele. Für Robert mussten Frauen Frauen sein, nicht, wie er sagte, nachgemachte Männer. Was immer ich anstrebte, bespöttelte er. Jeden Kampf, den ich ausfocht, um mein Recht auf Gleichstellung zu erhalten, zog er ins Lächerliche. Frauen sind anders, behauptete er, sie müssen nicht beweisen, dass sie alles genauso gut können wie Männer.
    Ich hatte allerdings andere Vorstellungen. Und jetzt, da ich bewiesen hatte, dass ich mich in einer Männerwelt behaupten konnte, war er noch immer blind gegen diese Fähigkeit.
    Es lag an meiner Unaufmerksamkeit, dass ich den falschen Pfad genommen hatte. Ich stand plötzlich an dem Menhir, der sich silbriggrau gegen den blauen Nachthimmel abhob.
    Niemand wartete auf mich, keiner würde fragen, wo ich so lange blieb. Darin lag meine Freiheit. Ich setzte mich also an den Fuß des Steines und lehnte meinen Rücken, meinen Kopf an ihn. Er hatte noch immer die Wärme eines langen Sommertages gespeichert. Lange blieb ich dort, ließ meine Gedanken versickern wie Wasser in einen trockenen, sandigen Boden.
    Die Umgebung wirkte seltsam zeitlos auf mich. Das Meer rauschte, wie es schon vor Tausenden von Jahren gerauscht hatte, die Sterne über mir zogen ihre Bahn wie seit dem Anbeginn der Zeit, die beiden Häuser lagen im Dunkel, so altertümlich in ihrer Bauweise, dass sie auch schon vor Jahrhunderten hier hätten stehen können. Ich fühlte mich orientierungslos in dieser Welt, fremd und hilflos. Ich war allein, ohne festen Halt, ohne Ziel. Von unerklärlicher Sehnsucht getrieben legte ich meine Hände flach auf den Boden, um wenigstens diesen Halt, die feste, harte Erde unter mir zu fühlen.
    Es war wie ein Zittern, das durch mich hindurch ging, eine unerklärliche Energie. Ein Gedanke, fast eine Stimme, schien zu wispern. Ich lauschte, lauschte so angestrengt, dass es schwarz vor meinen Augen wurde. Doch ich hörte nur zwei Worte, die wie ein leiser Gongschlag in mir widerhallten: »Ich bin.«

    Ein weiches, seidiges Fell berührte meine Arme. Ich fuhr zusammen. Dann erkannte ich, dass mich nur ein roter Dämon gestreift hatte.
    Es war Zeit zu gehen.

11. Faden, 1. Knoten
    Es war in der Samstagnacht, eine Woche nach meiner Rückkehr aus der Bretagne, dass ich diesen ungemein beklemmenden Traum hatte.
    Beklemmend war er allerdings erst kurz vor dem Erwachen, zuvor war er eigentlich schön. Mir war bewusst, dass ich träumte, schwebte irgendwo im Zwielicht, im leuchtenden Nebel, zwischen den tanzenden Spiralen der Galaxien. Dann aber wurde die Sicht klar, und ich befand mich wieder aufder Wiese am Meer. Beinahe farblos wirkte die Landschaft. Grau, Schwarz und kaltes Blau waren die Farben, die sich mir einprägten. Silbrig schimmerte der Menhir im Mondlicht und warf einen langen, dunklen Schatten. Auch die Häuser lagen im weißen Licht, gedrungen, wie aus der Erde gewachsen. Vertraut, bekannt war mir der Anblick, und doch war etwas anders als vorher. Ich ließ meinen Blick schweifen und schwebte körperlos über das Feld. Anders war es, wenn auch ähnlich. Wo die Straße hätte sein sollen, war nur ein Weg, ungepflastert, mit ausgewaschenen Karrenspuren. Er führte zu einem Wald, der vorher

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