Die keltische Schwester
Gegend gibt es keine guten Möglichkeiten. Man hört die schlimmsten Dinge. Ich habe eine Tagesmutter, die sich um sie kümmert. Aber das ist auch nicht ideal. Ich musste schon mehrmals wechseln. Die Frauen haben oft nicht die gleichen Vorstellungen zu Jessika-Milenas Erziehung wie ich.«
»Warum bist du dann nicht zu Hause geblieben? Ich meine, wenigstens bis sie zur Schule geht? Kann ihr Vater nicht zu einer gewissen Unterhaltspflicht herangezogen werden?«
»Aber, Lindis, eine Frau muss doch unabhängig sein! Das wäre das Letzte, was ich in Anspruch nehmen würde.«
Karola hatte rote Flecken im Gesicht bekommen, und ich dachte mir, dass zwischen ihr und dem Erzeuger des Kindes vermutlich nicht alles zum Besten stand.
Ich überging daher das Thema, und wir unterhielten uns stattdessen über die Probleme von Frauen in einem fast rein männlichen Umfeld, aber weit kamen wir nicht, denn Jessika-Milena kam mit einem kindgerechten Musikinstrument zurück, dessen bunten Tasten sie bunte Melodien entlocken wollte.
»Ich mach euch jetzt Musik.«
»Ach, Jessika-Milena, ich wollte mich eigentlich noch etwas mit deiner Mama unterhalten. Könntest du damit wohl noch etwas warten?«, fragte ich höflich.
»Nein, ich mache jetzt Musik.«
»Lass sie nur, Lindis, sie ist ja so musisch begabt. Das muss man fördern, wo man kann.«
»Na gut, Karola. Es ist sowieso schon recht spät. Ich werde mich dann langsam auf den Weg machen.«
»Willst du wirklich schon gehen?«
Mein Entschluss stand felsenfest, denn das Kind entlockte dem Gerät erstaunlich schräge und erstaunlich laute Töne. Aber ganz so schnell ging das nicht. Karola hatte noch ein paar pikante Details aus der Firma zu bieten, und nur Schritt für Schritt konnte ich mich zum Ausgang vorkämpfen. Schließlich hatte ich meine Jacke übergezogen und wollte gehen, da kam Jessika-Milena hinter mir her und klatschte mir das Malbuch vor die Füße.
»Das olle Buch kannst du wieder mitnehmen!«
Ich bat Karola, die ihre Tochter milde tadelte, es mir einzupacken und in den nächsten Tagen auf den Schreibtisch zu legen.
Dort lag dann aber das besagte Kunstwerk, das Beni gefunden hatte. Angeblich mit einer Entschuldigung von Jessika-Milena.
6. Faden, 3. Knoten
Nach dem Besuch in der Bretagne hatte ich eine verfeinerte Projektplanung erarbeitet, aber diesmal machte nicht nur mein Mitarbeiter, sondern auch das Programm Mucken. Es war schrecklich! Tagelang lungerten ein Informatiker und ein Techniker des Software-Hauses bei mir im Büro herum und versuchten, den Fehler zu finden.
In der Zwischenzeit war das Antwortschreiben der Franzosen gekommen, die von in Kürze anstehenden Entscheidungen sprachen. Der Zeitpunkt, an dem die Grundstücksfrage geklärt sein sollte, rückte unaufhaltsam näher. Wulf hing permanent am Telefon und versuchte, Schwung in die Aktivitäten zu bekommen, doch die zuständigen Leute waren zwar freundlich, aber unverbindlich.
»Ich werde noch wahnsinnig. Jetzt hat der Vogelschützer eine Anfrage gestellt, wo, denn die Abwässer aus der Anlage hinlaufen sollen.«
»Na und, das ist doch wohl klar, oder?«
»Nichts ist klar. Die Kapazität der örtlichen Kläranlage reicht nämlich nicht aus, wie er herausgefunden hat.«
»Na toll, und jetzt?«
»Baut entweder der Ferienpark seine eigene Kläranlage, oder das andere Ding muss vergrößert werden.«
»Wie wird entschieden?«
»Frag lieber, wann entschieden wird. Callot versucht natürlich, uns die Anlage aufzudrücken, damit es die Gemeinde nichts kostet. Der Betreiber besteht aber darauf, dass im Vertrag von einer ausreichenden Infrastruktur ausgegangen wurde. Und die Umweltschützer verbreiten die Panik, wir würden die Abwässer ins Meer laufen lassen.«
»Das ist nicht möglich?«
»Nein. Völlig ausgeschlossen. Komm, wir gehen mal dieMöglichkeit durch, was passiert, wenn noch eine zusätzliche technische Planung für eine Kläranlage gemacht werden muss.«
»Nicht nur die Planung, Wulf, auch der Bau. Dafür brauchen wir auch Termine.«
So saßen wir dann mit den Technikern und Ingenieuren stundenlang zusammen, um diesen neuen Schnörkel in das Netz einzubinden, während die Programmierer versuchten, den Fehler in der Software zu beseitigen.
Es war ein Bilderbuchsommer, und Beni war braungebrannt von ihren Aufenthalten am Baggersee. Ich hingegen hatte die vornehme Blässe einer viktorianischen Jungfrau. Auch der kleine Sonnenbrand, der meine Nase gerötet hatte, war wieder
Weitere Kostenlose Bücher