Die keltische Schwester
am Fenster stehen. Dann erst setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch. Ein fettiger Brotkrümel hatte auf dem Ärmel meiner Seidenbluse einen Fleck hinterlassen.
Natürlich hatte ich mittags die alte Version noch nicht im System. Ich telefonierte mit dem Leiter der Datenverarbeitung. Herr Palizzi war ein Lichtblick, wenn auch hilflos.
»Ihr Mitarbeiter war hier, aber wir haben nicht so recht herausbekommen, was er eigentlich wollte. Er fragte nach irgendwelchen Sicherheitskopien des Netzplanprogrammes. Wir haben nachgesehen, aber das Programm läuft seit Monaten stabil.«
»Es geht um eine Version einer aktuellen Datei, die er vernichtet hat.«
»Nicht schon wieder! Kommt denn in diesem Laden nie jemand zur Besinnung. Der Mann ist das Todesurteil jeder Anwendung!«
»Wem sagen Sie das? Na gut, versuch ich es mal. Haben Sie noch die Sicherung von Freitag letzter Woche?«
»Natürlich.«
»Können Sie zurücksetzen?«
»Im Prinzip ja, Frau Farmunt, aber wir haben natürlich nur die kompletten Daten der ganzen Firma. Ich kann nicht auf die Schnelle nur eine Datei herausfischen. Mein Operator ist krank, und zwei weitere sind auf Schulung. Können Sie sich nicht eventuell anders behelfen? Ich schicke Ihnen auch unseren Azubi, der die Daten erfassen kann.«
»Lieb von Ihnen, aber es geht eben nicht nur um stupides Erfassen. Es geht um Planung. Na gut, kann man nicht ändern, muss ich wieder mal eine Nachtschicht einlegen.«
So kam es, dass ich um acht noch vor dem Bildschirm saß, als Beni anrief.
»Hey, bist du in dem tollen Hightech-Gebäude eingesperrt worden? Soll ich den Sicherheitsdienst alarmieren?«
»Tut mir leid, ich habe noch zu tun.«
»Mensch, Lindis, das kann doch bald nicht mehr wahr sein. Denk an Sonntag!«
»Ich komme nicht zum Denken. Und je länger du mich mit deinem Geschwätz aufhältst, desto länger brauche ich hier noch.«
»Oh, entschuldige.«
Es war natürlich nicht nett von mir, sie so anzublaffen, aber ich hatte erst die Hälfte der Daten in Ordnung gebracht. Das Netz war inzwischen auf beinahe tausend Vorgänge angewachsen und so komplex, dass ich immer wieder die Berechnung laufen lassen musste, um sicherzugehen, dass ich keinen Fehler gemacht hatte.
Schließlich war ich um kurz nach zehn dermaßen fix und fertig, dass ich mich beständig vertippte. Es hatte absolut keinen Sinn mehr weiterzumachen, so unkonzentriert wie ich war. Mit schmerzenden Schultern schlich ich durch die dunklen Gänge des Gebäudes, stolperte und fiel beinahe die Treppe hinunter. Das fehlte noch, in dem menschenleeren Treppenhaus mit angeschlagenen Knochen liegen zu bleiben.
Beni war noch auf und musterte mich prüfend. Sie sagte aber nichts, als ich wortlos in mein Zimmer ging und mich in einen alten Trainingsanzug warf. Sie sagte auch noch nichts, als ich mich in den Sessel lümmelte und den Fernseher anmachte. Sie stellte einen Teller mit Nudelsalat neben mich und goss mir ein Glas Saft ein. Dann verzog sie sich leise.
Salat mit Mayonnaise! Mein Magen zuckte schmerzlich zusammen, und ich ging zum Schrank. Dort hatte ich Wulfs Calvados deponiert. Normalerweise habe ich solche Getränke nicht im Haus, aber an diesem Abend war ich froh, dass dasZeug griffbereit war. Ich füllte mir einen guten Fingerbreit in ein Whisky-Glas und trank es auf einen Schluck aus.
Der erste Eindruck war ein Schaudern, der zweite Eindruck, dass das ein verteufelt guter Calvados sein musste, den man besser mit Genuss trank. Und er wärmte meine schmerzenden Innereien. Ich nahm mir noch einen nicht allzu knappen, setzte mich wieder vor den Bildschirm und schlürfte langsamer das Glas aus. Irgendein wüstes Spektakel lief dort ab. Schwarzvermummte böse Ninja kämpften in den unmöglichsten Verrenkungen gegen weiße, gute Streiter auf einer Waldlichtung. Schwerter klirrten, Messer blitzten, der Held sprang über verstümmelte Leichen, nahm es mit dreien gleichzeitig auf.
Das ganze Geschehen war mit wilder Musik untermalt, aber das wütende Schreien überwog. Das Geschrei wurde lauter und warnend.
11. Faden, 5. Knoten
Da erkannte ich plötzlich Danu, die an einem Baum lehnte. Sie lauschte ebenfalls den Rufen, und ein Ausdruck höchster Alarmierung trat in ihr Gesicht.
Danu war eine Frau geworden, eine große, kräftige Frau mit breiten Schultern, über die zwei dicke goldblonde Zöpfe fielen. Sie hatte eine knielange hellbraune Tunika mit einer breiten Borte an und einen karierten Kapuzenumhang um die Schultern. Um
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