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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zurückzukehren. Ihre Tunika hing zerfetzt von den Schultern, Streifen von Blut und Erde verschmierten ihre Arme und Beine. Doch sie hielt sich aufrecht, königlich fast. Conall nickte und wies die Frauen an, ihr zu folgen.
    Die Krähe zog mit schwerem Flügelschlag ihre Kreise. Sie kreiste enger und enger und verhüllte die Sicht mit ihrem schwarzen Gefieder.

    Es war dämmerig in dem Raum, als ich die Augen aufschlug, bleigrau schlich sich das Licht durch die Gardinen. Kalt war es auch, und als ich mich bewegte, schmerzte mein Nacken, als hätte jemand versucht, mir mit einem stumpfen Beil den Kopf abzuhacken. Ich lag verkrümmt im Sessel, das leere Glas in der Hand, und versuchte mich zu erinnern, was passiert war.
    Das Fernsehgerät war noch angeschaltet, ich tastete nach der Fernbedienung und machte dem Geflimmere ein Ende. Der Geruch der Mayonnaise stieg mir in die Nase und verursachte mir Übelkeit. Den Orangensaft hingegen stürzte ich hinunter, um den mörderischen Geschmack in meinem Mund wegzuspülen.
    Zwei große Gläser Calvados auf nüchternen Magen, das war es gewesen. War ich denn vollkommen bescheuert? Kein Wunder, dass sich mein Kopf anfühlte, als gehöre er zu einem Riesen aus der anderen Welt. Und der ernüchternde Blick zur Uhrsagte mir, dass es halb sechs war, gerade noch eine Stunde, bevor mein Wecker klingelte.
    Ich tappte durch den Flur. In Benis Zimmer war Schlafesstille. Hoffentlich war sie geräuschunempfindlich, denn das, was ich als einzige lebensrettende Maßnahme sah, war ein brühend heißes Bad.

6. Faden, 6. Knoten
    Am Freitagnachmittag, als wir das Gespräch bei Dr. Koenig hatten, waren meine Daten wieder so weit in Ordnung, dass sich zumindest der bisherige Plan auf dem aktuellen Stand befand. Die Alternativplanung hatte ich zwar soweit grob rekonstruiert, war aber nicht davon überzeugt, dass sie belastbar war. Kurzum, ich war mit meiner Arbeit nicht zufrieden.
    Als Wulf und ich uns in Dr. Koenigs Büro trafen, drückte er mir zwei Zeichnungen in die Hand.
    »Der neue Lageplan auf Basis der genauen Vermessung. Kannst du dir nachher mal ansehen, ob du noch so einen Knaller entdeckst wie neulich.«
    »Und du mir dann wieder nicht glaubst?«
    »Mann, bist du mies gelaunt, Lindis. Reiß dich mal ein bisschen zusammen.«
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich schon zusammenreiße!«
    Ich war noch immer rasend, weil Wulf den dämlichen Schweitzer mit der Überarbeitung beauftragt hatte. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um daraus ein Thema zu machen. Dr. Koenig bat uns zur Audienz.
    Wulf berichtete über das technische Vorgehen. Es gab einige neue Verfahren in der Wasser- und Stromversorgung, die er miteinbringen wollte. Ich hörte nur mit einem Ohr zu und sah mir stattdessen die beiden Zeichnungen an, die er mir in die Hand gedrückt hatte. Aha, diesmal war die kleine Landzunge mit eingetragen, deren Fehlen mich das letzte Mal hatte stutzig werden lassen. Dort würde später also eine Liegewiese eingerichtet werden. Hübsch mit Blick auf das Meer.
    »Und nun zu Ihnen, Frau Farmunt. Wie steht es mit den Terminen?«
    »Ein wenig eng, Herr Dr. Koenig. Die Ferienhäuser sind derzeit der kritischste Punkt. Die Arbeiten dafür sollten tunlichst Anfang des nächsten Jahres, jedoch nicht später als Februar beginnen. Bislang habe ich noch keine Rückmeldung aus Frankreich, ob dort die Vergaben an die örtlichen Bauunternehmer in Angriff genommen wurden.«
    »Herr Daniels?«
    »Ich habe mit Callot telefoniert. Sie sind am Ball. Drei Bauunternehmer sollen sich das Gewerk teilen.«
    »Das reicht nicht! Sehen Sie zu, dass Sie belastbare Termine bekommen, Herr Daniels!«
    »Natürlich, Herr Dr. Koenig. Andererseits …« Er zögerte etwas, und ich bewunderte seine Schauspielkunst.
    »Was ist andererseits?«
    »Wir würden deutlich an Luft gewinnen, wenn wir uns entschließen könnten, diese Hotel-Lösung zu forcieren. Nicht wahr, Lindis?«
    »Vielleicht. Ich habe allerdings keine belastbaren Argumente im Augenblick vorliegen.«
    »Was?«, fuhr Wulf mich scharf an.
    »Tut mir leid, ich kann mich nicht überschlagen. Bis Mitte nächster Woche liegt dir etwas vor, das ist alles, was ich versprechen kann.«
    »Was soll das heißen? Ich habe doch Montag schon den Auftrag gegeben, die Version durchzuspielen.«
    »Dummerweise hast du diesen Auftrag meinem Mitarbeiter gegeben.«
    »Hast du mal wieder alles und jedes angezweifelt, was Herr Schweitzer gemacht hat? Auf die Art

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