Die keltische Schwester
Gespräch aktiviert. Und ich hatte ihn diesmal auch nicht in seiner geheiligten Frühstückspause gestört, sondern um vierzehn Uhr in mein Büro gebeten. Hinter meinem Schreibtisch fühlte ich mich ein bisschen sicherer als in seinem Kabuff.
Er kam überpünktlich und setzte sich sehr gerade mir gegenüber in den Besucherstuhl. Irgendwie registrierte ich, dass er eigentlich ständig den gleichen grau-beigen Tweedanzug trug. Oder er hatte mehrere davon. Dieser hier jedenfalls hätte malgelüftet gehört. Aber da tat ich ihm wahrscheinlich Unrecht, der Kantinenmief blieb in der dicken Stoffqualität eben besonders gut hängen. Er kam gerade vom Essen. Ein Fleischfäserchen hing noch zwischen seinen gelblichen Schneidezähnen.
Na dann!
»Herr Schweitzer, ich möchte mit Ihnen noch einmal über die Arbeit an dem Netzplan sprechen.«
»Was gefällt Ihnen denn jetzt schon wieder nicht daran?«
»Nun, ich habe den Eindruck, dass das Vorhaben komplexer wird, als wir zu Beginn angenommen haben.«
»Das ist doch Ihr Problem. Sie sind doch die verantwortliche Termin-Managerin.«
So, wie er die Managerin betonte, war das eine ausgemachte Beleidigung. Um meinen guten Vorsätzen treu zu bleiben, stellte ich mir etwas Schönes vor – eine zarte Rosenknospe.
»Nun, Herr Schweitzer, wir sind letztlich ein Team und müssen zusammenarbeiten. Das heißt auch, dass wir gemeinsam die Probleme lösen müssen, nicht wahr?«
»Bisher sah das immer nur so aus, dass ich Ihre Vorgabe-Fehler ausräumen musste, Frau Farmunt!«
Tautropfen auf einer eben aufgebrochenen Rosenknospe.
»Das ist Ihre Sicht der Dinge. Vielleicht versuchen Sie es doch auch mal etwas distanzierter zu sehen. Wir haben ein großes Projekt mit sehr dicht vernetzten Strukturen. Da sind viele Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Es gilt doch dabei, ein möglichst realistisches Abbild der tatsächlichen Verläufe zu erstellen und zu pflegen. Dazu mache ich die Vorgaben, der Computer verarbeitet sie dann. Ich muss mich also darauf verlassen können, dass die Beteiligten das Programm wirklich gut beherrschen.«
Schweitzer sah mich mit starrem Blick an, und ich hatte den Verdacht, dass er die Luft anhielt, um seine Wut noch mehr zu schüren.
»Wollen Sie mir etwa damit unterstellen, dass ich das Programm nicht bedienen kann?«
Eine gerade aufgeblühte Rose, duftend in der Morgensonne.
»Ich unterstelle Ihnen nichts«, sagte ich so sanft wie möglich. »Mir ist allerdings bei Ihrer Arbeit aufgefallen, dass noch ein gewisser Nachholbedarf an technischem Know-how notwendig ist. Und darum habe ich Sie für die nächste Schulung angemeldet. Sie werden im Februar zu dem Software-Hersteller fahren und an einer einwöchigen Ausbildung teilnehmen.«
»Wozu soll das gut sein? Ich habe andere Termine in der Woche. Außerdem, wie verfügen Sie eigentlich über meine Arbeitszeit? Ich werde mit Dr. Koenig darüber sprechen!«
Eine voll aufgeblühte Rose mit samtroten Blättern.
Ich gab meiner Stimme den Klang von weicher Seide, als ich den Anmeldebogen vor ihn legte. Von Dr. Koenig unterschrieben.
»Dr. Koenig hat es persönlich empfohlen, Herr Schweitzer.«
Das hatte er nicht erwartet. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mürrisch das Kleingedruckte zu lesen und dann zu murmeln: »Wir werden ja sehen.«
»Natürlich. Ich freue mich, dass Sie so einsichtig sind, Herr Schweitzer. Ich möchte mich doch wirklich auf Sie verlassen können, nicht wahr?«
Die Tür knallte hinter ihm zu, und eine pralle, rote Hagebutte explodierte, dass die Fetzen flogen.
Warum war ich mit einem solchen Mitarbeiter gestraft? Hatten irgendwelche höheren Mächte ihn als den Prüfstein meiner Geduld ausersehen?
»Hallöchen, Frau Farmunt. Mhhpf, hier riecht’s aber muffig. War der Schweitzer Käse bei Ihnen im Zimmer?«
Ich riss das Fenster auf.
»Hey, Sie sehen aus wie ein Topf Spucke. Lassen Sie sichdoch bloß von dem Ekelbolzen nicht unterkriegen.« Susi kicherte. »Mich hat der neulich auch angegammelt, wie ich denn rumlaufen würde, wie eine vom Strich! Ich hab ihm aber empfohlen, er solle sich vorne an der Nuttenkurve mal einen schönen Abend machen, wenn er noch kann, damit er den Unterschied merkt. Sehen Sie, jetzt lachen Sie wieder!«
»Meisterin der herben Sprüche! Ich nehme an, seine Antwort auf diesen liebevollen Rat ist nicht überliefert.«
»Es kam nicht mal mehr lauwarme Luft.«
»Schade, dass ich ihm nicht solche Sachen um die Ohren hauen kann.«
»Warum eigentlich
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