Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
Telios ihm nicht antwortete. »Verdammt, Admiral, wenn er Ihnen nicht einmal genügend Vertrauen entgegenbringt, Ihnen zu sagen, warum er mich jagen lässt – warum glauben Sie dann, ihm vertrauen zu können?«
Ja , dachte Telios, der äußerlich unbeeindruckt blieb. Warum?
Von den Fünf Admirälen hatte Syl Ra Van allein ihn auserwählt, die Suche nach Kai Novus zu leiten. War das nicht schon ein unanfechtbarer Vertrauensbeweis?
Oder nur kalte Berechnung, weil Syl Ra Van wusste, dass sein sogenannter Günstling keine unbequemen Fragen stellen würde?
»Wie kommt es, dass Sie und Ihre Freunde im Orden jedes Wort von ihm heiligen, als hätte das Universum selbst zu Ihnen gesprochen?«, fragte Novus.
»Ich werde mich mit Ihnen auf keine politische Diskussion einlassen.« Telios verschränkte die Arme. »Fakt ist: Syl Ra Van dient dem Frieden – er erschafft den Frieden. Seit dreihundert Jahren. Er wird nicht durch Gier oder Machtversessenheit korrumpiert wie sterbliche Herrscher. Ohne seine Hilfe, mein Freund, säßen heute die Schattenkaiser an der Macht.«
Du klingst auf einmal nicht mehr sehr überzeugend, Andar , dachte Endriel. »Und warum hat er dann mit seinem Eingreifen gewartet, bis die Schattenkaiser alle Sha Yang abgeschlachtet hatten? Andar, hast du dich nie gefragt, woher sie damals ihre Waffen hatten, ihre Kontakte, das Geld?«
Er starrte sie an. »Ist dir klar, was du da behauptest?«
Endriel lächelte scheinheilig. »Wieso? Was habe ich denn behauptet?«
Telios’ Schweigen verriet ihr alles. Natürlich hatte er sich diese Fragen schon gestellt. Und er war schockiert über die Antwort. Aber sein verdammter Stolz verbot es ihm, dies zuzugeben.
Kai erkannte das gleiche wie sie. »Sie wissen es auch, Admiral«, sagte er. »Auch wenn Sie versuchen, es zu leugnen, Sie wissen, dass es wahr ist. Der Gouverneur brauchte Ihnen nicht zu sagen, weshalb Sie mich jagen sollen, weil er weiß, dass er Sie völlig in der Hand hat, genau wie den Rest Ihres Ordens. Der allwissende Syl Ra Van befiehlt und seine willigen Soldaten folgen, ohne ihn zu hinterfragen.«
Endriel war überzeugt, dass Telios’ Blick Kai wie ein Blitzschlag niedergestreckt hätte, wäre nicht das Kraftfeld zwischen ihnen gewesen. »Ich könnte Sie allein wegen dieser Worte einsperren lassen, Bürger Novus!«
Kai lächelte müde. »Entschuldigen Sie, dass ich noch einen freien Willen habe und meinen Verstand benutze. Ich will versuchen es mir abzugewöhnen, versprochen.«
»Sie sollten –!«
»Er hat Recht, Andar! Woher willst du wissen, was in Syl Ra Vans Hirn ... Datenspeicher, oder was auch immer ... vorgeht? Er würde gern herrschen, aber die Sha Yang sind die einzigen, die ihn aufhalten könnten. Da er sich selbst nicht die Finger schmutzig machen will, lässt er den Schattenkult wieder auferstehen und gibt ihnen alles, was sie brauchen, um seine Schöpfer zu vernichten. Schließlich beendet er die Farce und lässt den Kult durch die Friedenswächter auslöschen. Der Krieg ist vorbei, Syl Ra Van hat die Welt gerettet, hurra. Wer würde noch zweifeln, dass er der ideale Herrscher wäre?«
Telios hatte ihr kaum zugehört. Der Letzte Schattenkaiser war einer von uns. War Rul’Kshura nur ein Strohmann, eine Marionette von Syl Ra Van? Hat er gewusst, dass er manipuliert wurde?
Falls all diese Anschuldigungen wahr wären – war er selbst, Admiral Andar Telios, dann nicht ebenfalls eine Marionette?
Endriel erriet seine Gedanken. Sie empfand ehrliches Mitleid mit ihm. »Ich weiß, Andar: Der Gedanke ist nicht sonderlich bequem. Aber es ergibt Sinn. Denk darüber nach.«
Telios hob den Blick. »Wir werden uns in Teriam darüber unterhalten, Mädchen!« Seine Stimme klang wieder befehlend. Der Soldat in ihm hatte die Oberhand gewonnen. »Ich nehme an, deine Mannschaft befindet sich irgendwo in der Nähe?«
Endriel seufzte. Sie hatte wirklich geglaubt, ihn überzeugt zu haben. »Sie sind garantiert schon auf dem Weg hierher.«
»Ausgezeichnet.« Der Admiral straffte seine Haltung. »Dann können sie uns in die Hauptstadt begleiten. Ich habe noch ein paar Fragen an sie.« Er zog eine silberne Taschenuhr hervor und ließ den Deckel aufspringen. »Wir werden in einer knappen Viertelstunde ablegen. Am frühen Nachmittag müssten wir in Teriam eintreffen.« Er nickte Endriel und Kai zu. »Genießt euren Flug.« Ohne ein weiteres Wort wandte sich Telios ab, der Umhang wehte ihm hinterher. Die Tür des Zellentrakts öffnete sich
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