Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
zu ihr auf. »Wo sind wir?«
Endriel trug eine Maske undurchdringlicher Kälte. »Unwichtig. Hör zu, ich werde nicht lange herumreden und du wirst mir antworten, hast du verstanden?«
»Nein, ich ...« Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Was ist denn los? Wieso –?«
»Wer waren die zwei, die uns niedergeschossen haben, Kai?«
Er fuhr sich durch das Haar. Bitte tu das nicht , dachte sie. Diese Geste erinnerte sie zu sehr an den netten Jungen, den sie vorher in ihm gesehen hatte.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Das heißt, ich kenne ihre Namen nicht.«
»Wer sind sie?« Endriel verschränkte die Arme, um das Zittern ihrer Hände zu verbergen. Diese Situation kam ihr so irreal vor. »Wer?«, fragte sie erneut, als keine Antwort kam.
»Kultisten. Mitglieder des Schattenkults.«
Er hat es die ganze Zeit über gewusst. Mit tonloser Stimme fragte sie: »So wie der Kerl, der dich in Teriam angegriffen hat?«
Er nickte; der Schein der Lichtkugel fing sich in seinen Augen, wie zwei winzige Kerzenflammen. »Ja.«
»Du hast mir gesagt, du wüsstest nicht, wer er ist.« Endriel hoffte, dass er das laute Pochen ihres Herzens nicht hören konnte. »Du hast mich belogen.«
»Nein. Es war nicht wirklich eine Lüge. Ich meine, ich kannte ihn nicht persönlich. Du ... du hättest es damals nicht verstanden!«
»Du hast mir nie die Chance gegeben, das selbst herauszufinden.«
»Ich wollte es dir sagen, dir und deiner Mannschaft. Du musst mir glauben, Endriel!«
Das würde ich gern . Du ahnst gar nicht, wie sehr. »Tut mir leid, aber das kann ich nicht. Nicht mehr.« Sie holte tief Luft. »Bist du einer von ihnen?«
»Nein!«, rief er aus, mit der selben Heftigkeit, wie zuvor, als Andar die selbe Anschuldigung ausgesprochen hatte. »Ich bin kein Kultist! Ich schwöre es dir!«
Endriel schluckte mit trockener Kehle. »Es tut mir leid, Kai. Aber ich muss es wissen. Keru!«
Ein breiter Lichtstrahl erfüllte den Raum einen kurzen Augenblick, als ein grauer Schatten durch den Vorhang huschte. In diesem Moment hatte sogar Endriel Angst vor Keru. Und sie hoffte, Kai auch. In der Angst zeigt sich der wahre Charakter , hatte Yanek einmal gesagt. Sie betete, dass er Recht behielt und trat einen Schritt zurück.
Kai warf sofort die Bettdecke zur Seite, doch bevor er aufspringen konnte, war Keru vorgestürmt, packte ihn am Hals und hob ihn, halbnackt wie er war, in die Luft, bis seine Füße über dem Boden baumelten. Kai wand sich im Griff des Skria, so wie Endriel vor nicht allzulanger Zeit. Er versuchte die riesige Pranke von seiner Kehle zu lösen, doch vergeblich – selbst vier Männer von seiner Statur hätten nicht den Hauch einer Chance gegen Keru gehabt.
Endriel stellte sich neben Keru und verschränkte wieder die Arme. Ihre Beine zitterten. »Wer bist du, Kai?«, fragte sie leise.
»Rede schon!«, grollte Keru. Er lockerte seinen Griff einige Millimeter, um Kai gerade noch sprechen zu lassen.
»Ich ... ich habe euch nicht belogen!«, keuchte er. Sein Gesicht war rot angelaufen. »Alles, was ich euch gesagt habe, ist die Wahrheit ... Mein Mentor ...«
Keru stieß ein löwenhaftes Brüllen aus. »Diesen Mist haben wir schon gehört! Denk dir etwas Neues aus!«
»Ich habe euch diese Dinge allein verschwiegen, um euch zu schützen, hhhh...« Kai rang nach Luft. »Das Wissen ... ist gefährlich ...!«
»Du wirst uns jetzt alles erzählen, Kai!« Endriel hasste sich selbst für ihre Grausamkeit. »Haarklein. Oder wir verfeuern dich an die Antriebe der Korona , hast du mich verstanden?«
»J-Ja ...«
»Also noch mal von vorn. Wer ist dein Mentor? Wer ist dieser Yu Nan?«
»Der letzte der ...« Seine Stimme wurde zu einem unverständlichen Röcheln. Er lief langsam blau an.
Sie machte einen Schritt vorwärts. »Was?«
»Der letzte der Sha Yang«, antwortete Kai.
Endriel erstarrte, genau wie Keru. »Hör auf, uns zu verarschen!«, platzte es aus ihr heraus. »Die Sha Yang sind alle ausgelöscht! Das hast du selbst gesagt!«
»Ich habe es nie gesagt ...« Seine Stimme war dünn wie Nebel. »Mein ... Mentor hat den Krieg gegen die Schattenkaiser überlebt ... in einem unterirdischen Gewölbe ... in einem Zeitlosen Sarkophag. Liyen und ich haben ihn gefunden ... ihn geweckt ... er ist alt ... ich kriege keine Luft ... bitte ...!«
Endriel nickte Keru zu. Der Skria lockerte seine Pranke ein wenig mehr. Ein paar Minuten war Kai nur damit beschäftigt, Luft zu holen. Die unnatürliche Farbe wich langsam aus seinem
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