Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
die am Rand des Plateaus angelegt hatte. Zwei Weißmäntel brachten den Sarkophag an Bord und bewachten ihn mit schussbereiten Sonnenaugen.
Als die Barke abhob, blickte Endriel zurück zur Korona . Die Lichter an Bord waren aktiviert worden, sie sah Weißmäntel auf der Brücke. Sie würden das Schiff zur Dragulia fliegen, damit diese es huckepack trug, mit Magnetankern an den gewaltigen Stahlkörper gekettet.
»Kapitän, der Sarkophag!«, flüsterte Miko. »Was, wenn sie ihn öffnen?«
»Ich habe ihn versiegelt«, antwortete Kai leise. Es waren seine ersten Worte seit langem. Sie klangen tonlos und schwach. »Nur ich kann ihn öffnen.«
»Es wird nicht lange dauern, bis sie das bemerkt haben«, knurrte Keru. »Aber das ist nicht unser einziges Problem.«
Endriel sagte nichts. Sie war sicher, dass sie lieber nicht hören wollte, was jetzt kam.
»Ich weiß nicht, ob sie mich erkannt haben oder nicht«, fuhr der Skria fort, »aber unter den Weißmänteln befinden sich auch einige Mitglieder des Kults.« Er sah Endriel an. »Das ganze Schiff ist von Schatten verseucht.«
DRITTER TEIL:
AUFSTAND DER SCHATTEN
25. Ungewöhnliches Frachtgut
»Erstaunlich, was manche Leute mit sich rumschleppen.«
– aus »Schwarze Nächte in Taragor« von Renves Degg
Sie lebt. Die Schatten haben sie nicht erwischt. Sie lebt. Admiral Telios stand hinter der Brückenkuppel und beobachtete mit einem erleichterten Lächeln, wie Endriel und ihre Mannschaft in Gewahrsam genommen und auf eine Landbarke geführt wurden, zusammen mit Kai Novus und einem schwarzen Gebilde. Ein Zeitloser Sarkophag. Er hatte solche Artefakte schon gesehen. Kurz darauf legte die Barke von der Insel ab und näherte sich der Dragulia von backbord.
Telios wandte sich ab und sah Shiaar ernst an. Sie nickte nur wortlos und folgte dem Admiral zum Frachtdeck.
Keine zwei Stunden nach dem Aufbruch der Dragulia und ihrer Eskorte in Richtung Niemandsland, war an Bord des Flaggschiffes eine Nachricht der Administration von Quaigo, einer kleinen Stadt an der Gandshu-Bucht, eingegangen. Astronomen des Observatoriums der örtlichen Universität hatten ein nicht registriertes Drachenschiff entdeckt, das – von einer Wolkendecke versteckt – offensichtlich auf das Große Meer zuhielt. Es flog mit Höchstgeschwindigkeit und keiner der Gelehrten konnte sich erklären, weshalb, da es jenseits der Küste nichts außer ein paar Felseninseln gab. Daher hatten sie die Administration verständigt, die sich wiederum mit der Dragulia verbunden, und ihr eine verschwommene Projektion des betreffenden Schiffes gesandt hatte.
Telios hatte sich die Aufnahme keine Sekunde lang ansehen müssen, um zu wissen, dass es sich um die Korona handelte. Er hatte augenblicklich den Befehl zur Umkehr gegeben. Wie vier Kometen, die plötzlich die Richtung wechselten, schwangen das Flaggschiff und seine Eskorte am Himmel herum und steuerten wieder die Küste an. Der Admiral hatte den Kurs des kleinen Drachenschiffs berechnen lassen. Allem Anschein nach, hielten sie tatsächlich auf das Meer zu.
Warum?
Weil irgendwo dort draußen Kai Novus’ Ziel lag. Aber der Junge hatte etwas übersehen: Über der Wasseroberfläche gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken.
Und diesmal wird es keine unvorhergesehenen Zwischenfälle geben , schwor sich Telios, während er Shiaar voran schritt. Diesmal sind wir auf alles vorbereitet.
Die Eskortschiffe der Dragulia hatten Befehl, jedes Objekt, das sich dem Flaggschiff ungefragt näherte, augenblicklich abzuschießen. Zusätzlich hatte er die internen Überwachungs- und Kommunikationssysteme des Schiffes so eingestellt, dass sie allein durch sein persönliches Passwort an- und ausgeschaltet werden konnten. Möglich, dass sich unter seinen Leuten immer noch Kultisten befanden. Aber ein Großteil der Mannschaft hielt treu zu ihm, das wusste er. Das hoffte er.
Diesmal werden wir Novus nicht verlieren!
Seine Mission näherte sich ihrem Ende. In wenigen Minuten würde er entscheiden müssen, was mit dem Jungen geschah. Ob er, Andar Telios, seinen Befehlen gemäß handeln, oder sich strafbar machen würde. Ihm wurde schnell klar, dass er sich die letzten Tage vor dieser Entscheidung gefürchtet hatte. Sie würde möglicherweise die schwerste seiner ganzen Laufbahn werden, nun da sein Vertrauen zu Syl Ra Van erschüttert war.
Aber er hoffte, dass was oder wer auch immer sich in dem Zeitlosen Sarkophag befinden mochte, ihm helfen würde, seine Entscheidung zu
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