Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
dannen.
»Es ist ganz leicht«, brummte Keru.
Endriel sah zu dem Skria auf.
»Das Fliegen, meine ich«, fügte er hinzu.
»Warum hast du das Schiff nicht genommen, als du nach mir gesucht hast?«, fragte sie.
»Weil es dein Schiff ist.«
»Aber du hast mitgeholfen, es zu reparieren.«
»Trotzdem bin ich nicht der rechtmäßige Besitzer.«
Endriel musterte den Skria. Du musst schrecklich erschöpft sein , dachte sie. Nach all den Monaten, die du unterwegs warst, mich zu finden. Jemanden, den du noch nicht einmal kennst. Sie wollte ihn fragen, ob er von ihr enttäuscht sei, nun wo er sie gefunden hatte. Doch bevor sie den Mund aufmachte, piepste Nelen:
»Keru, was ist das für ein Ding?« Sie flatterte über einem niedrigen Tisch, direkt vor der Steuerkonsole. Seine Oberfläche war tiefschwarz und von einer Glasplatte geschützt.
»Die Navigationskarte«, erklärte der Skria. »Sie zeigt, an welchem Punkt des Planeten wir uns befinden.« Er kam zu ihr. Seine Pranke strich über die Glasfläche, die sich daraufhin mit Farben füllte. Jetzt zeigte sie eine grüne Landschaft, gespickt mit Kraterseen in Blau und einigen Flecken rotgelben Sandes. Olvan erschien als rotes Dreieck. Der pulsierende blaue Kreis im Zentrum musste die Korona sein.
»Hübsches Spielzeug«, sagte Endriel, doch sie war lange nicht so gelassen, wie sie sich anhörte. Das Schiff war wie aus einem Traum. Zugegeben, es war vielleicht nicht übermäßig hübsch, aber dafür zäh, das spürte sie. Es hat viel mit dir gemeinsam, Yanek. Ich wünschte nur, du könntest jetzt hier sein ...
Ihr Blick glitt noch einmal durch den Raum, dann setzte sie sich auf den Diwan gegenüber der dösenden Xeah.
Nelen landete gähnend neben ihrer Freundin und streckte die Flügel. Sie schien ihre Augen nur mit Mühe offenhalten zu können und so dauerte es auch nicht lang, bis sie sich zusammenkauerte und eingeschlafen war.
Auch Endriel hatte Schwierigkeiten, ein Gähnen zu unterdrücken. Die Versuchung war groß, die Augen zu schließen und zu schlafen, einfach nur schlafen. Es war ein unendlich langer Tag gewesen und sie wusste nicht, ob sie all das was heute geschehen war, auch wirklich verarbeitet hatte. Yaneks Tod, das Auftauchen von Keru und die Begegnung mit Xeah, die morgendliche Jagd nach den Artefakten, der Kampf in der Gosse, ihr Wiedersehen mit Telios und nicht zuletzt der Junge mit den grünen Augen. Das alles erschien ihr wie ein weit entfernter, nebelhafter Traum.
Ein Teil von ihr weigerte sich zu begreifen, dass sie Yanek niemals wiedersehen würde. Und sie schämte sich zutiefst für jedes Mal, wenn sie ihm den Tod gewünscht hatte. Vater und Tochter waren zu Fremden geworden und schuld daran waren ihr Stolz und Yaneks Angst, sie zu verlieren. Wenn sie beide nur ein winziges Stück von ihren Standpunkten abgewichen wären, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen.
Ich bin müde , erkannte Endriel und fuhr sich durch das Haar. So unendlich müde ... Sie schüttelte den Kopf, um sich wachzuhalten.
Keru stand immer noch vor der Navigationskarte, zwei Schritte von ihrem Platz entfernt. Er beobachtete sie.
»Du kannst ruhig mit mir reden, Keru.« Sie sprach leise, um Nelen nicht zu wecken. »Ich beiße nicht.«
»Es ist seltsam, dich zu sehen«, brummte er. »Ich kannte nur Bilder von dir. Und Yaneks Beschreibung.«
»Aber du hast mich gefunden.«
»Ja.«
»Woher wusstest du eigentlich, dass ich in Teriam war?«
»Ich wusste es nicht. Ich hatte die Hoffnung, der Basar würde dich anziehen.«
»Keru, kann ich dich etwas fragen?«
Er nickte nur.
»Deine Narbe. Was ...?«
Seine Finger berührten das tote Gewebe über dem linken Auge. »Sie ist ein Andenken an ein anderes Leben.« Er wandte den Blick ab.
Xeah war mittlerweile wieder aufgewacht. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und winkelte den Schwanz nach hinten ab. Der kurze Moment der Ruhe hatte ihr sichtlich gut getan, ihre Augen glänzten wie geschliffener Obsidian. »Ich glaube, nun bist du dran, zu erzählen, Endriel. Wir wissen so gut wie nichts von dir. Oder von Nelen. Keru hat mir erzählt, dass ihr im Gefängnis wart ...?« Xeah blinzelte ungläubig.
Endriel nickte.
»Oh.« Xeahs Horn gab ein Geräusch von sich, das Verwirrung signalisierte. »Aber – warum?«
»Tja, das ist ’ne ziemlich komplizierte Geschichte.« Endriel fiel auf, dass sie auch Keru nichts davon erzählt hatte. Er hatte nicht einmal gefragt! Hatte Telios ihn darüber aufgeklärt oder hatte er sich
Weitere Kostenlose Bücher