Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
Aber es gibt noch so viel zu sehen dort draußen und nun habe ich ein eigenes Schiff ...«
Xeah nickte. »Nun, die Korona ist ein Drachenschiff. Und Drachenschiffe sind zum Reisen gebaut. Es würde Yanek freuen, wenn sie dir hilft, deinen Traum zu verwirklichen.«
»Ja. Sicher würde es das, aber ...« Endriels Blick fiel auf Nelen, die sich im Schlaf umdrehte. »Aber ich muss mich auch nach dem richten, was sie sich wünscht. Vielleicht ist sie es allmählich leid, andauernd hin- und herzuziehen. Und ich bin schließlich für sie verantwortlich. Wir ...« Ein Gähnen unterbrach sie. »Heute war wirklich ein langer Tag. Ich kann kaum noch richtig denken. Vielleicht ist es das Beste, wenn wir alle eine Nacht darüber schlafen. Wir haben immer noch genug Zeit, uns zu überlegen, was wir tun werden.«
»So ist es.« Xeah lächelte aufmunternd, und erhob sich mühsam von dem Diwan. »Gute Nacht, Endriel. Wir sehen uns morgen früh.«
»Gute Nacht, Xeah.«
Die alte Draxyll wanderte zu Keru. Sie musste den Hals recken, um zu ihm aufzuschauen. »Lass es für heute gut sein. Du solltest dich hinlegen. Das Schiff wird dir nicht weglaufen.«
Er antwortete nicht, sondern räumte stumm sein Werkzeug ein. »Bleibst du hier?«, fragte er Endriel.
»Ich komme gleich nach«, gab sie zurück. »Gute Nach–« Er war verschwunden, bevor sie den Satz beenden konnte. Sie versuchte sich einzureden, dass irgendein Grund hinter seiner Scheu stand. »Nelen. Hey.«
Die Yadi schlug die Augen auf und sah sich verwirrt um. »Wassislos?«
»Du hast doch nicht vor, hier oben die Nacht zu verbringen, oder?«
Nelen setzte sich auf und rieb sich die Augen. Einmal mehr wurde Endriel klar, wie jung sie war, fast noch ein Kind.
»Wo sind Keru und Xeah?«
»Auf dem Weg in ihre Betten. Komm, wir gehen auch.«
Nelen nickte und sprang auf die Schulter ihrer Freundin. Zusammen verließen sie die Brücke. Hinter ihnen erloschen die Lichtkugeln.
»Endriel?«
»Ja?«
»Was wirst du mit dem Schiff machen?«
»Das weiß ich noch nicht, Nelen. Aber ich bin sicher, mir fällt bald etwas ein.«
9. Unter Ratten
»Manchmal ist es Schicksal, manchmal zwinkert dir das Universum zu. Und manchmal bist du einfach nur ein glücklicher Bastard.«
– Teranil Dakom, Mitgründer von Dakom-Re
Da war Licht. Es drang selbst durch seine geschlossenen Lider. Stickige, feuchte Wärme hüllte ihn ein und der Gestank von Fäulnis und Fäkalien peinigte seine Nase. Als Kai die Augen aufschlug, blendete ihn ein greller Schein, sodass er gequält die Augen zukniff und sich der Schmerzen bewusst wurde, die an einem halben Dutzend Körperstellen aufflammten wie glühendes Eisen. Er war am Leben, ja. Trotzdem fühlte er sich müde, ausgezehrt, bis ans Ende seiner Kräfte erschöpft.
»Hey, Leute! Ich glaub, er ist wieder wach!«, raunte eine träge Stimme. Draxyll.
»Wir sind nicht blind, du Trottel!«, fauchte eine andere Stimme. Skria.
»Hey, Mann, bist du in Ordnung?«, fragte eine dritte, diesmal menschliche Stimme. Sie klang sehr jung.
Er zwang sich, die Augen erneut zu öffnen, und blinzelte. Allmählich konnte er das gleißende Licht ertragen.
Drei Gestalten hatten sich um ihn herum versammelt:
Direkt vor ihm stand ein hochgewachsener Skria – weiblich, wie er sofort an der fehlenden Mähne erkannte. Ihr Alter war schwer zu schätzen: irgendwo zwischen sechzehn und achtzehn. Sie hatte ihr Raubkatzengesicht schwarz angemalt, dabei war ihr Fell eigentlich braun mit Tigerstreifen. Es sah verklebt und ungesund aus. »Was ist mir dir?«, fauchte sie. »Hast du deine Zunge verschluckt?«
»Lass ihn in Ruhe, Grao! Du siehst doch, dass er verletzt ist!« Hinter der Skria kauerte ein Menschenmädchen und ließ ihn nicht aus den Augen. Auch ihr Gesicht war bemalt: drei schwarze Streifen unter den Augen, ein schwarzes Dreieck auf der Stirn. Sie trug Lumpen und war ungewöhnlich mager. Sie konnte höchstens vierzehn Jahre alt sein. In ihren kleinen Händen ruhte eine Lichtkugel. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie zu Kai.
»Riechen tut er jedenfalls ganz gut ...«
Erschrocken riss Kai seinen Blick nach links, wo ein Draxyll auf einer Holzkiste hockte. Er reckte den langen Hals und seine Nüstern beschnupperten Kai. »Der Duft der Oberwelt.« Sein Echsengesicht war ebenfalls geschwärzt, seine Haut tiefbraun, glatt und geschmeidig und sein Horn noch im Wachstum. Sein Alter lag irgendwo zwischen dem des Mädchens und der Skria. Blutjung für seine Rasse.
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