Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
den grünen Augen – auf einmal vor ihr stand, ließ alles so unwirklich erscheinen, wie in einem Traum. »Warum bist du abgehauen?«
»Ich habe leider nicht nur Freunde in dieser Stadt, wie es aussieht.«
»Das habe ich gemerkt. Aber die ...« In dem Moment, als Endriel zu ihm aufsah, und die Strahlen der Lichtkugel sein Gesicht trafen, hatten seine Augen mit nichts so sehr Ähnlichkeit wie mit zwei Smaragden. Der Anblick faszinierte sie für einige Sekunden, dann fand sie die Sprache wieder: »Die Weißmäntel würden gern das eine oder andere Wörtchen mit dir wechseln, glaube ich.«
Das brachte ihn zum Lächeln. »Gut untertrieben.«
Ein Moment des Schweigens. »Wer bist du?«
»Mein Name ist Kai Novus«, sagte er ernst. »Und ich wünschte, ich könnte dir eine plausible Geschichte auftischen. Warum mich die Friedenswächter suchen und weshalb der Draxyll mich gestern angegriffen hat, doch das kann ich nicht. Nichtmal ansatzweise. Aber ich brauche noch einmal deine Hilfe.« Er hielt kurz inne. »Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Dazu muss ich Teriam verlassen. Danach muss ich weiter in die Nördliche Hemisphäre, zum Großen Meer, um dort jemanden abzuholen und ihn an einen bestimmten Ort zu bringen. Es wird eine lange Reise werden. Per Nexus ist das Risiko zu groß, geschnappt zu werden. Dein Schiff ist im Augenblick meine einzige Chance. Deswegen frage ich dich: Würdest du mir ein zweites Mal die Haut retten?«
Sie sah ihn lange an. Entweder er sagte die Wahrheit oder er war der brillanteste Schauspieler von ganz Kenlyn. Vielleicht lag es am Alkohol, an den Schmetterlingen oder einfach nur an ihrer quälenden Neugierde, sie wusste es selbst nicht so genau. Aber sie glaubte ihm.
Und noch bevor sie darüber nachdenken konnte, zuckte sie mit den Achseln und sagte: »Klar. Warum nicht?«
»Ich ...« Ihre schnelle Zusage schien ihn zu verwirren. »Ich glaube, du hast mich nicht richtig verstanden: Ich muss aus dieser Stadt raus. Und um genau das zu verhindern, schwirrt da draußen ein ganzes Battalion Friedenswächter herum. Außerdem: Du kennst mich nicht! Ich habe nicht einmal eine halbwegs nachvollziehbare Geschichte parat! Du könntest genauso gut zu den Friedenswächtern gehen und dir die sechstausend Gonn Belohnung holen, die auf meinen Kopf ausgesetzt sind!«
»Hey!« Sie hob den Zeigefinger. »Glaub ja nicht, dass ich das alles umsonst tue! Du verlangst nämlich eine ganze Menge von mir und meinen Leuten. Wenn die Weißmäntel dich hier an Bord erwischen, kann ich den Rest meines Lebens im Knast verbringen. Zehntausend Gonn!«
Er hob die leeren Hände. Erneut fiel ihr die silberne Armschiene auf, die seinen rechten Unteram bedeckte. »Ich habe leider kein Geld bei mir!«
»Dann zahlst du eben später! Aber du zahlst auf alle Fälle, verstanden? Die Konsequenzen würden dir nicht gefallen.«
Wieder lächelte er. »Abgemacht.«
»Kannst du dir das auch wirklich leisten?«
»Ich nicht. Aber ein alter Freund.«
»Wenn das so ist«, sagte Endriel, »freuen sich die Mitarbeiter von Korona-Transport, Sie an Bord begrüßen zu dürfen!«
Sie besiegelten das Geschäft mit einem Handschlag. Seine Haut war weich und glatt und in seinen Augen lag pure Erleichterung.
Was tue ich da eigentlich? Warum setze ich alles wegen diesem Kerl aufs Spiel? Alles klar, Mädchen, es ist so weit, du hast endgültig dein letztes bisschen Verstand verloren!
»Ach ja, da gibt es noch eine Sache«, sagte der Junge namens Kai mit entwaffnender Schüchternheit. »Ich habe nicht viel Zeit. Das heißt, wir müssten so bald wie möglich aufbrechen. Ist das möglich?«
»Im Prinzip schon ...« Endriel unterbrach sich, als es an der Tür klopfte. »Komm rein, Miko!«
»Ihr Tee, Kapitän!« Der Junge trat ein und balancierte ein Tablett mit zwei dampfenden Tassen in der Hand. »Ich wusste nicht, welche Sorte Sie wollten, deswegen ...«
»Ist schon in Ordnung«, winkte sie ab. Da kam Nelen über Mikos Kopf hereingeflogen.
»Nelen, Miko – ich möchte euch Kai Novus vorstellen.«
Miko nickte freundlich, aber Nelen erstarrte. Eine Sekunde lang setzte ihr Flügelschlag aus. Sie zeigte verdattert mit dem Finger auf ihn. »Du ...! Du bist ...!«
»Kai. Freut mich, dich wiederzusehen.«
»Aber ...!« Endriel erlebte ihre Freundin zum ersten Mal sprachlos. Nelen kam zu ihr herübergeflattert und blieb direkt vor ihrer Nase in der Luft hängen. »Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«, flüsterte sie mit
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