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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Leben aus: Tanzen und Singen statt Beten und Arbeiten! So hat man das also mit dem Abschied von den Tugenden zu verstehen!»
    «Es war nicht so geplant, und ich bin allein dafür verantwortlich.» Carolus erklärte ihm seinen Plan.
    «Wenn sie Musik hören soll, dann bringt sie in die Kirche. Musik ist nur dann nicht sündig, wenn sie dem Lobe Gottes dient. Nicht dass Gott unseres Lobes bedürfte. Im Gegenteil: Wir bedürfen der Musik und des Gotteslobes, um uns seiner bewusst zu werden. Jede Musik aber, die allein dem hiesigen und fleischlichen Vergnügen dient, ist des Teufels!»
    «Ihr habt recht, vergebt mir meinen Missgriff und rechnet es nicht den guten Frauen von Sainte Douceline an!», sagte Carolus zerknirscht. «Meisterin Juliana hatte mich gewarnt und mir äußerste Vorsicht aufgetragen, doch ich habe mich geirrt.»
    «Getanzt haben sie!» Der Abbé war empört und nicht so leicht zu beruhigen.
    «Aber doch nur miteinander.»
    «Das tun auch die Hexen, wenn sie sich treffen, um dem Teufel zu huldigen.»
    Carolus suchte Calixtus auf. Er fand ihn in der Werkstatt des Klosters, wo er eine Bank reparierte, von der ein Fuß abgebrochen war.
    «Ah, mein Freund! Ich habe schon von deinem Missgeschick gehört. Ist das Experiment jetzt beendet? Oder lässt dich die Meisterin fortfahren?»
    «Ich werde lieber ein paar Tage verstreichen lassen, ehe ich sie frage. Vielleicht hat sie mir bis dahin vergeben», sagte Carolus zerknirscht.
    Calixtus lachte lautlos. Sorgfältig strich er Leim auf einen Zapfen, mit dem er die Bank und den Fuß wieder verbinden wollte.
    Basilio kam über das Kopfsteinpflaster des Hofes angerannt. Vor lauter Eile raffte er seine Kutte. «Was ist? Hat es gewirkt?», rief er schon von weitem. «Hat die Musik den erwünschten Effekt gehabt?», wollte er atemlos wissen, als er heran war. Athanasius kam in würdevollerem Tempo hinterher.
    «Ich weiß nicht recht», sagte Carolus. «Einen Augenblick schien es mir so.»
    «Ich habe gehört, Ihr habt ein paar von diesen Zigeunern in den Konvent gebracht! Das war gar nicht gut!», tadelte ihn Athanasius.
    «Warum denn? Ich habe nach Musik gesucht, die das Gemüt bewegt und die ihre schien mir am Geeignetsten.»
    «Wollüstige, heidnische Musik! Die Beginen sollen getanzt haben!»
    «Das Tanzen ist nicht per se als sündig einzustufen, Bruder», widersprach Basilio. «Sich zu Musik zu bewegen zeigt den Grad der Bewegtheit der Seele. Man hat schon von Völkern gehört, die sich durch Musik in kontemplative Zustände versetzen. Und hat nicht sogar kürzlich ein gewisser Rabbi ben Salomo spanischen Mönchen einen geistlichen Tanz beigebracht?»
    «Jüdische Magie!», schimpfte Athanasius.
    Carolus wurde ärgerlich: «Das ist das Schlimme mit euch Religiösen. Ihr seid so voller Angst und Misstrauen, dass ihr überall Teufel und Hexen seht! Eure Angst macht euch ganz taub und blind!»
    «Der Teufel kennt viele Wege zur menschlichen Seele!», dozierte Athanasius. «Am gefährlichsten ist er, wenn er sich hinter schönen Masken verbirgt!»
    «Aber meine ganze Natur war von diesen Melodien ergriffen», wandte Carolus ein.
    «‹Die naturhafte Neigung ist der Anfang der Tugend›», sagte Basilio beruhigend. «Und vielleicht war der Versuch so schlecht nicht, wenn auch etwas unkonventionell.»
    Athanasius brummelte unwirsch vor sich hin.
    «Was hat sie denn nun eigentlich erzählt?», fragte Calixtus.
    «Sie hat gesagt, dass sie sich an einen ihrer Lehrer erinnert hat. Einen Benediktinermönch.»
    «Das ist ungewöhnlich. Ich habe noch nie gehört, dass Benediktiner als Hauslehrer arbeiten, schon gar nicht für Mädchen. Meist sind es Dominikaner oder welche von unserem Orden, die als Lehrer gehen. Was hat er sie denn gelehrt?»
    «Das hat sie nicht gesagt.»
    «So!» Calixtus setzte den abgebrochenen Holzfuß mit dem Zapfen auf die umgedrehte Bank und hämmerte ihn fest. Dann stellte er die Bank auf und prüfte ihren Stand.
    «Weißt du, was ich denke? Sie führt dich an der Nase herum.»
    «Nein, das glaube ich nicht!»
    «Carolus, weise die Möglichkeit nicht gleich von der Hand, nur weil dir die Patientin sympathisch ist!» Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. «Ich habe einige Male den Eindruck gehabt, dass sie lange schwieg und dann nur eine sehr kurze Antwort gab. Denk nach: Was wäre, wenn deine Behandlung doch anschlüge, sie es dich aber nicht merken ließe?»
    Carolus schwieg.
    «Wenn sie etwas verbirgt, dann erinnert sie sich auch an ihre

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