Die Ketzerbibel
Verlobung endlich eine Hochzeit wird, sonst geht er dir durchs Netz», warnte Aneta.
Da hielt es Catherine nicht mehr aus. «Wovon redet Ihr, Frau Nachbarin?», fuhr sie die Wollweberin an.
«Nun, von Eurem Verlobten. Wisst Ihr es etwa nicht?» Allseits mitleidiges, entsetztes Zungenschnalzen und Kopfschütteln.
«Die Gute. Natürlich ist sie die Letzte, die es erfährt!», flüsterte eine Magd, die dabeistand.
«Was? Was ist vorgefallen?!» Catherine wurde ungeduldig.
«Ach, das sollte Euer Herr Verlobter Euch vielleicht doch besser selber sagen. Es steht uns nicht an, uns in Liebesdinge zu mischen.»
«Ihr habt Andeutungen gemacht, jetzt sprecht es auch aus!», forderte Catherine. Ihre Mägde wandten sich ab und kicherten heimlich. «Heraus damit oder seid still!», schrie sie.
«Dann wisst Ihr es tatsächlich nicht? Dass der Herr Carolus und diese Bettelbegine …», sagten die Mädchen.
«Dass sie was?!»
Die Frauen rückten näher zusammen. Diejenige, die gerade an der Reihe war, ihren Krug unter dem Speier zu füllen, vergaß ihn, das Wasser quoll über den Rand und floss ins Brunnenbecken zurück.
«Der Herr möge mir vergeben, aber es ist mir ganz unmöglich, diesem Treiben länger schweigend zuzusehen. Ich muss es Euch offenbaren: Der Medicus trifft sich beinahe täglich mit dieser Begine, dieser Danielle.»
«Nein!», rief es und: «Oh, doch, allerdings!», antwortete die Sprecherin. «Sie sitzen beieinander im Garten dieses sogenannten Konvents – Konvents! Als ob es ein Kloster wäre! – und halten Händchen! Ich habe es selbst gesehen!» Sie ließvorsorglich unerwähnt, dass die Beobachtung sie erhebliche Mühe gekostet hatte. Man konnte nämlich nur aus einer Luke ihres Dachbodens in den Garten von Sainte Douceline einsehen, und dann auch nur, wenn man sich gefährlich weit aus dem Fenster beugte.
«Ja, es ist eine Schande! Mein kleiner Bertrand hat es auch gesehen!» Bertrand war der Rotzbengel, der regelmäßig auf die Mauerkrone hinter dem Stall kletterte, in der Hoffnung, eine dieser geheimnisvollen Frauen unbekleidet zu sehen.
‹Was versteckt ist, reizt die Menschen umso vieles mehr, als das, was offen unter ihren Augen vor sich geht›, dachte der Engel. ‹Seit der Vertreibung aus dem Paradies haben sie sich nicht sehr geändert.›
Catherine war ihnen auf den Leim gegangen und vergaß jegliche Würde. «Sie sitzen im Garten und halten Händchen? Ist das auch wirklich wahr?»
«Ja! Es ist wahr, bei meiner Seele!»
«Ich hab es auch gesehen – na ja, fast.»
«Beinahe jeden Tag sieht man den Herrn Medicus bei den Beginen ein und aus gehen!»
«Warum auch nicht. Er arbeitet ja aus Nächstenliebe in ihrem Hospital.» Catherine beruhigte sich wieder.
«Und dazu bringt er Musikanten mit? Ins Hospital?»
«Und bringt er den Kranken neuerdings Rosen?» Eine der Frauen kicherte boshaft.
«Rosen?!»
«Ach, so einen Arztbesuch wünsch ich mir auch mal!»
Catherine lief rot an im Gesicht, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte mit solch finsterer Miene durch die Gassen, dass man unwillkürlich vor ihr zurückwich. Die beiden Mägde mit den vollen Wasserkrügen folgten in gemächlicherem Tempo. Die eine genoss das Unglück ihrer Herrin,die andere war ehrlich empört: «Das kommt davon, wenn man diesen Frauen erlaubt, ohne jede Aufsicht zusammenzuleben! Es ist einfach nicht schicklich! Was wäre, wenn das jede täte?!»
«Ich werde ihn zur Rede stellen! Er macht mich zum Gespött der ganzen Stadt!», rief Catherine, als sie zu Hause angekommen war.
Laura lag auf einer gepolsterten Bank, eine mit Werg gestopfte Rolle unter den Knien. Tapfer bemühte sie sich zu sticken.
«Ach, Catherine! Nun mach doch nicht so ein Geschrei! Carolus tut nichts Unrechtes. Er behandelt diese arme Frau, weil sie ihr Gedächtnis verloren hat. Weiter nichts.»
«Du weißt davon?»
«Ja, und ich dachte, du wüsstest es auch. Es ist doch gar nichts dabei. Er ist Arzt. Er behandelt eine Kranke, Catherine! Und jetzt sei doch so gut und massiere mir ein wenig die Füße, bitte, Liebes! Niemand kann das so gut wie du. Wenn es doch nur schon so weit wäre. Wenn ich gewusst hätte, dass Schwangerschaften so scheußlich sind, dann hätte ich mir das noch einmal überlegt mit dem Heiraten!»
«Das meinst du nicht wirklich.»
«Nein, natürlich nicht. Ich liebe Marius. Aber jedes Jahr schwanger sein und unförmig anschwellen und watscheln wie eine Ente, das möchte ich nicht.» Sie ließ den
Weitere Kostenlose Bücher