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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Mutter nicht über die Schulter sehen konnte. Nicht auszudenken, wenn sie es in die Hände bekäme. Er versteckte es unter lateinischen Texten und Anleitungen zum Aderlass, die seine Mutter nie anrühren würde. Bei nächster Gelegenheit würde er es Jeanne zeigen. Aber derzeit mied er das Beginenhaus. Seufzend erinnerte er sich an seinen letzten Versuch, mit Danielle Frieden zu schließen.
    Sie war gerade dabei, den Stall auszumisten. Als sie ihnkommen sah, verdoppelte sie ihre Anstrengungen, bis der Mist in hohem Bogen aus dem Stall flog.
    «Danielle!» Er musste sich halb hinter dem Tor verstecken, um nichts davon abzubekommen. «Hört doch einen Augenblick auf damit!»
    «Wozu? Der Stall säubert sich nicht von allein.» Eine weitere Schaufel Mist flog heraus.
    «Lasst das! Seid doch vernünftig. Ich muss mit Euch sprechen! Ich komme jetzt!» Er wagte sich aus seiner Deckung und tat einen Schritt durch das Tor in den dunklen Stall hinein. Es quietschte feucht unter seinen neuen gelben Schnabelschuhen, und sein rechter Fuß versank in einem warmen Haufen Dung. Fluchend zog er erst einen Fuß hoch und danach den anderen, um den Schaden zu betrachten.
    Sie lachte. Es klang ihm wie perlendes Wasser, wie eine der kleinen Kaskaden in der Schlucht des Verdon, heiter und klar. Aber das schöne Lachen versiegte gleich wieder, und sie zog die Stirn in Falten.
    «Was wollt Ihr, Schürzenjäger? Wollt Ihr Euch an meinem Kummer weiden?»
    «Nie würde ich Euch kränken wollen. Glaubt mir doch!»
    «Warum habt Ihr mir eine Rose gebracht?»
    Ihm wurde bewusst, wie missverständlich diese Geste gewesen war. «Ich – ich wollte   … es war kein unsittlicher Gedanke dabei. Ich schwöre es!»
    «Dann wolltet Ihr mir damit Eure Verschwiegenheit zusichern?»
    «Das auch, ja, aber eigentlich wollte ich mit Euch über meinen Garten sprechen.»
    Sie lachte wieder. Das Herz ging ihm auf dabei. Ja, jetzt hatte er den richtigen Ton gefunden. Es gab Hoffnung! Er würde ihr helfen, ihr Gedächtnis wiederzufinden, und dann würde sie sich endlich eingestehen, dass sie ihn liebte. Erwürde sie hier herausholen und sie heiraten – ‹Wie? Denkst du wirklich an heiraten, du, der du dir geschworen hast, dich niemals einfangen und dich nicht mit einem Haus voller Kinder beschweren zu lassen?› Es überraschte ihn.
    ‹Ja›, antwortete er sich selbst. ‹Mit dieser Frau will ich mein Leben verbringen. Ich will sie, ganz gleich, was sie verbirgt. Ich kenne sie auch so schon gut genug.›
    Laut sagt er: «Ich wollte einmal so richtig unbeschwert mit Euch reden, damit Ihr nicht immerzu auf der Hut seid vor mir. Und da dachte ich, der Garten wäre unverfänglich.»
    Er merkte nicht, wie sehr das nach einer Schliche klang. «Ich wollte so gern, dass Ihr mir vertraut. Wenn Ihr mir doch nur erzählen würdet, was Euch zugestoßen ist! Es wäre bei mir so sicher wie bei Eurem Beichtvater.»
    «Ich erinnere mich an gar nichts.»
    «Das ist nicht wahr. Hört auf, Euch und andere zu belügen. Es tut nicht gut, und am Ende kommt es doch heraus. Was immer es ist, was auch immer Ihr fürchtet, Ihr könnt darauf bauen, dass ich zu Euch stehen werde.»
    Sie stand da, den Rock geschürzt, die Haare unter einem unförmigen schmutzigen Tuch verborgen, eine Mistgabel in der Rechten, deren Zinken auf ihn gerichtet waren. Und er fand sie schön, schöner als Catherine in ihrem besten Kleid, weit schöner noch als Laura, weiblicher, lebendiger. Sie reizte ihn, so wie ihn noch nie eine Frau gereizt hatte. Er roch das Stroh auf dem Heuboden und die Brunst der Tiere im Stall und blickte auf ihre schweißnasse Haut am Halsausschnitt des Kittels.
    Sie stand nur da und hatte wieder diesen abwesenden Blick, mit dem sie ihn ausschloss aus ihrer Welt. Er wollte sie gern packen und schütteln. Eine fast gewalttätige Lust kam in ihm auf.
    «Ich kenne sie nicht.»
    Man hat ihn gezwungen, zur Verhandlung zu kommen. Wochen hat sie im Kerker verbracht ohne ein Wort, ohne ein Zeichen von ihm. ‹Sie lassen ihn nicht zu mir› , denkt sie. ‹Sie halten seine Briefe zurück und stecken die Bestechungsgelder ein, die er ihnen bringt, damit man mich gut behandelt.› Sie stellt sich vor, wie er täglich seine Dienstboten schickt mit Körben voller guter Lebensmittel, mit weißem Brot und Wein. Sie wissen ja beide zu gut, wie man Gefangene behandelt, welchen Dreck man ihnen zu essen gibt, schimmeliges Brot, dünne Suppen, abgestandenes, schmutziges Wasser. Dürr ist sie geworden. Die

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