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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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sinken und rieb sich die schmerzenden Knie.
    Alix setzte sich neben sie und kaute auf einer Zwiebelschluppe. «Ich denke, die Liebe zwischen Menschen ist letzten Endes doch nie so vollkommen wie die Liebe zu Gott. Bei den Menschen bleibt immer ein Rest Selbstsucht undEitelkeit. Da schauen sich zwei an und vertrauen einander nicht. Und jeder möchte den anderen gern ganz und gar unterwerfen. Und statt einander Kummer zu ersparen, verdächtigen sie sich aller möglicher Verfehlungen. Da werden Kleinigkeiten zu Katastrophen aufgebauscht, Drohungen werden ausgestoßen, das ganze Gebäude ist vom Einsturz bedroht. Und doch wollen sie nur eines hören: ‹Ich liebe dich.› ‹Ich liebe dich so absolut, dass ich meinen eigenen Willen ganz zurückstelle. Ich gehöre dir. Du kannst mit mir tun, was du willst. Was immer du sagst, ist mir recht›, das wollen sie hören. Aber das kann man nur zu Gott sagen.»
    «Weil man nur von Gott wissen kann, wie groß seine Liebe ist und sein Verzeihen», sagte Auda nachdenklich, «es ist ganz ähnlich, wie Marguerite Porete in ihrem Buch beschrieben hat: Liebe ist Selbstaufgabe. ‹Denn ganz so, wie das Eisen von Feuer umkleidet ist und dann sein eigenes Aussehen verloren hat, so wird die Seele, die Gott liebt, überkleidet, gespeist und verwandelt in mehr. Er ist, spricht die Seele. Daran mangelt es ihm nicht. Und ich bin nicht, und so fehlt mir auch nichts.›»
    «Das ist ganz wunderbar gesagt. Und es ist den meisten Menschen völlig unmöglich. Es braucht lange Jahre der Disziplin, des Loslassens der Welt und des Betens, um diesen Zustand tiefer Liebe zu erreichen», stimmte Alix zu.
    «Ja», sagte Auda. «Ich kann von mir längst nicht sagen, dass ich so weit wäre. Aber die Liebe zwischen Mann und Weib kann schon gar nicht so werden. Da will jeder der Stärkere sein mit seinen Mitteln. Keiner will nachgeben. Und aufgehen im anderen schon gar nicht. Und tut’s einer doch, dann verachtet ihn der andere und nimmt es für eine Schwäche und wendet sich ab. Da ist mehr Kampf und Plackerei als Harmonie. Ich bin nur froh, dass ich schon so alt bin!»
    «Ja», lächelte Alix. «Uns kann in dieser Hinsicht gar nichts mehr passieren.» Zufrieden saßen die beiden Alten da und beobachteten, wie Danielle ihre Wut im Stall austobte.
    Als Abbé Grégoire von der Sache hörte, fügte er dem Sündenregister der Beginen einen weiteren Punkt hinzu. Er hätte sich sagen können, dass jeden Tag Verlobungen gelöst werden und dazu keine Beginen nötig sind. Aber das wollte er nicht. Und was verstehen Priester schon von der Liebe zwischen Mann und Weib?
     
    «Passionibus Mulierum Curandum» – Eine Magd entdeckte das Buch beim Abstauben. Es fiel vom Tisch und öffnete sich. Sie bückte sich, um es aufzuheben, und sah die Bilder. Die Magd konnte nicht lesen, aber Bilder schaute sie nur allzu gern an. Fasziniert kniete sie sich auf den Boden und begann zu blättern. Carolus’ alte Mutter wunderte sich im Nebenzimmer, dass die Geräusche von Geschäftigkeit zum Erliegen gekommen waren und kam, um nach dem Grund zu sehen. Die junge Magd errötete und schlug hastig das Buch zu, aber sie war nicht flink genug. Die alte Herrin hatte es schon entdeckt. Sie hob es hoch, schaute hinein und ohrfeigte die Magd.
    «Carolus!»
    Der junge Medicus kam angerannt. Er kannte diesen Ton.
    «Was ist das für eine Schweinerei?»
    «Es ist keine Schweinerei, Mutter! Es ist ein Medizinbuch», verteidigte er sich.
    «Was?! Ein Buch über die geheimen Orte der Frauen? Wenn ich geahnt hätte, dass so etwas dabei herauskommt, wenn man dich studieren lässt, dann hätte ich dir das nicht gestattet!»
    «Aber Mutter! Frauen werden krank, genau wie alle anderenGeschöpfe. Und um sie zu behandeln, muss man doch wissen   …»
    «So etwas hast du nicht zu wissen! Es ist unanständig! Eine Schande!»
    «Aber Mutter, wie soll ich denn sonst eine Frau behandeln?»
    «Gar nicht! Es schickt sich nicht, dass männliche Ärzte   … nein wirklich! Pfui! Keine Frau, die etwas auf sich hält, würde einem Mann gestatten, sie so zu sehen. Gleich verbrennst du das! Ich dulde so etwas nicht in meinem Hause!»
    «Aber Mutter   …»
    «Hinaus! Fort damit!»
    «Ja, Mutter.» Er nahm es ihr aus der Hand und brachte es zu Schwester Jeanne.
    «Das ist ja ganz wunderbar! Ein Kompendium sämtlicher bekannter Frauenleiden und deren Heilung! Rezepturen, chirurgische Verfahren! Ganz erstaunlich! Ich wusste nicht, dass es solche Bücher gibt»,

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