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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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in allem: Ich wurde wohlhabend und habe mir viel zu viel darauf eingebildet.»
    «Hast du nicht die Armen behandelt, so wie dein Vorbild, dieser Benediktinermönch?», fragte Jeanne.
    «Doch, das habe ich, und ich bin froh, dass ich mir wenigstens das anrechnen kann: Ja, ich habe zweimal in der Woche die Armen besucht und umsonst behandelt, immerhin. Ich konnte es mir ja leisten. Und ich machte mir Feinde. Es ist wahr: Gerade bei der Behandlung von Frauenleiden stieß ich bei Kollegen auf so viel Unwissen, gepaart mit Aberglauben und Desinteresse, dass es mich wütend machte. Es wäre klüger gewesen, die Missstände still und bescheiden zu korrigieren, statt mich darüber zu verbreiten. Und Spott, war er noch so geistreich, hätte ich lieber unterlassen sollen.
    Und einmal wandte sich eine Frau an mich, die nach vier Jahren Ehe kinderlos geblieben war. Ihr Mann wollte sie nun verstoßen und sich eine Jüngere zulegen», erzählte Danielle.
    «Ja, ja! Das kenn ich!»
    «Wer sagt denn, dass es an ihr lag?!»
    «Ganz recht! Das habe ich auch bezweifelt, als ich ihn sah, einen unmäßigen Fresser und Säufer. Ich habe also beide zu einer Probe aufgefordert. Er wollte erst nicht, aber als ich öffentlich gesagt habe, er habe wohl Grund, den Test zu vermeiden, da willigte er endlich ein.»
    «Und was hast du getan?»
    «Ich habe sie beide Haferkörner in einem Töpfchen mit ihrem jeweiligen Urin benetzen lassen. Das lässt man dann ein paar Tage am Licht stehen. Die Körner von dem unfruchtbaren Teil verfaulen, die vom fruchtbaren Teil keimen.»
    «Und das klappt wirklich?»
    «Ja. Auch in diesem Fall. Es erwies sich, dass es an ihm lag. Er war nicht sehr erfreut, und ich bekam natürlich kein Honorar von ihm. Aber die halbe Stadt lachte darüber, und mein Ruhm wurde noch gemehrt. Man hat natürlich versucht, mich bloßzustellen. Einmal überreichte mir ein Fürst auf einer großen Gesellschaft einen Becher mit Urin, den er als seinen ausgab, und forderte mich auf, meine Kunst mit einer Harnschau zu beweisen. Ich roch daran und hielt ihn gegen das Licht, und mir war vollkommen klar, dass es nicht seiner war. Ich roch nochmals daran und sagte dann: ‹Messire, Ihr seid nicht nur wohl anzusehen, reich, mächtig, elegant und sehr gebildet, nein, Ihr seid auch ein lebendes Wunder!› Er schaute etwas verblüfft drein. Ich fuhr fort: ‹Sire, ich gratuliere Euch von Herzen: Ihr werdet in einigen Monaten ein Kind zur Welt bringen. Bitte erweist mir die Ehre, Euch beistehen zu dürfen. Meine Dienste wären in diesem Fall kostenlos. Es ist für mich von hohem wissenschaftlichem Interesse!›»
    Die Beginen lachten und kicherten.
    «Ihr ahnt es schon. Er hatte mir den Urin einer seiner Hofdamen präsentiert. Die Angelegenheit war einigermaßen pikant,denn sicher war das Kind von ihm. Aber er lachte und ließ mir einen Beutel mit Goldstücken überreichen. Derart verlief mein Leben in Paris. Ach, und ich hätte fast vergessen euch zu sagen: Ich verliebte mich in einen jungen Mann von Stand. Der fünfte Sohn eines Adligen, der ebenfalls Medizin studierte an der Sorbonne. Er war – ist – zwei Jahre jünger als ich. Er bewunderte mich und sang des Nachts Liebeslieder unter meinem Fenster. Er schickte mir Rosen. Es war alles gut, zu schön für das neidische Geschick.»
    Gebannt hingen die Beginen an Danielles Lippen.
    «Was geschah dann? Ist dir ein Fehler unterlaufen?»
    «Nein. Das war gar nicht nötig. Meine Konkurrenten brachten mich zu Fall. Einer von ihnen hatte ein armes Weib dabei erwischt, wie sie versucht hatte, ihre Frucht abzutreiben, ja, zuerst mit gekochten Petersiliensamen, dann mit einem spitzen Gegenstand. Sie war zu mir gekommen und hatte mich um ein Mittel gebeten, doch natürlich musste ich es ihr verweigern. Ich redete ihr gut zu und führte ihr vor Augen, dass Abtreibung eine Sünde wäre, dass sie vorher hätte daran denken müssen, ehe sie sich auf eine Liebschaft einließ. Und ich habe ihr gesagt, dass ein Kind doch auch ein Geschenk sei und sie es mit der Zeit liebgewinnen würde. Aber das alles waren nur wohlfeile Worte. Ich hätte ihre Notlage ernster nehmen sollen!»
    «Aber du hättest doch kaum in Betracht gezogen   …?», sagte Jeanne schockiert und entsetzt.
    «Natürlich nicht. Aber ich hätte vielleicht länger mit ihr reden sollen, eindringlicher, ihr Geld anbieten, ich hatte ja welches. Vielleicht hätte ich auch mit dem Vater des Kindes sprechen können. Irgendein Weg hätte sich vielleicht

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