Die Ketzerbibel
keine Beginen in seine Stadt», sagte Calixtus.
«Drei Tage verloren!», fluchte Carolus leise.
«Und was hast du nun vor?», fragte der Mönch, während er sein Tier durch das Tor zog.
«Ich werde in Richtung Toulon reiten – so schnell, wie dieser Klepper es vermag – und versuchen, sie einzuholen.»
«Ich komme mit», sagte Calixtus. Carolus starrte ihn entgeistert an.
«Warum?»
«Ich habe das Gefühl, dass ich irgendwie für sie verantwortlich bin. Schließlich war ich es, der sie zu den Beginen gebracht hat! Und was habe ich da nur angerichtet? Die Beginen sind zerstritten, Abbé Grégoire würde am liebsten die Inquisition in die Stadt bringen, Mestra Catherine versündigt sich an ihrer Schwester, deine Verlobung ist aufgelöst …», zählte Calixtus auf.
«Das wäre ohnehin nie etwas geworden.»
«Wie dem auch sei. Ich komme mit. Sie ist jetzt als Bettelbegine unterwegs. Das könnte Schwierigkeiten geben. Papst Clemens hat vor, auf dem Konzil nächstes Jahr die Bettelbeginen ganz verbieten zu lassen. Am liebsten würde er sie alle exkommunizieren! Oh, du ahnst ja gar nicht, mein Freund, was sich da zusammenbraut! Um ehrlich zu sein, war ich auch wegen der Beginen von Sainte Douceline beim Erzbischof, nämlich um ihn über alles in Kenntnis zu setzen und ihn zu überzeugen, dass sie gute und christliche Frauen sind, die seines Schutzes bedürfen. Der Kirchenklerus im ganzen Land ist sehr schlecht auf Beginen zu sprechen, besonders auf solche, die herumwandern und betteln. Und da könnte es sich als sehr vorteilhaft erweisen, wenn ich dir helfe.»
«Aber gern! Ich bin froh, dass ich nicht allein suchen muss», gab der junge Arzt zu.
«So, habt Ihr Eure Braut gefunden? Über Geschmack lässt sich nicht streiten», spottete Louisa, als die beiden zusammen die Herberge betraten. «Sie hat zwar ein Kleid an, aber sie ist flach wie ein Brett und hat Stoppeln im Gesicht.»
Calixtus grinste gutmütig.
Später, nachdem der größte Ansturm auf Zwiebelragoutund Wein vorüber war, setzte sich Louisa zu ihnen, wie es ihre Gewohnheit war.
«Was wollt ihr tun? Wo wollt ihr sie suchen?», fragte sie.
«Wir vermuten, dass sie zurück nach Neapel will. Aber sie hat kein Geld für die Passage. Also nehmen wir an, dass sie versuchen wird, es sich zusammenzubetteln auf dem Weg nach Toulon», erklärte Carolus.
«Und wenn sie gar nicht nach Toulon geht? Wenn sie es stattdessen in Nizza versucht? Oder gleich bis nach Genua läuft? Du sagst, sie sei Italienerin. Vielleicht trifft sie dort auf einen mitleidigen Landsmann», gab Louisa zu bedenken.
Carolus’ Miene verfinsterte sich. Dass sein uraltes Maultier es bis Genua schaffen könnte, hielt er für ausgeschlossen.
«Und welchen Weg wird sie nehmen?», fragte sich Calixtus laut. «Was, wenn sie die Landstraßen meidet?»
«Bist du verrückt?», rief Louisa. «Eine Frau allein in den Hügeln? Nein, sie muss die Landstraße nehmen. Vielleicht wird sie sich sogar einer Gruppe anschließen, wenn man sie lässt, Kaufleuten, wandernden Mönchen – so etwas in der Art. Wo viele Menschen sind, ist sie einigermaßen sicher.»
«Warum denn das?», fragte Carolus erstaunt.
«Na, du bist ja ein Unschuldslamm. Du weißt wohl nicht, wie die Männer sind. Aber du bist so ein netter Kerl, du hast ja noch nicht einmal versucht, mich anzufassen. Da sind wir aber anderes gewöhnt! Deine Begine wandert ganz gewiss nicht auf einsamen Wegen, wenn sie es vermeiden kann.»
«So hatte ich das noch gar nicht gesehen!» Carolus schöpfte wieder Hoffnung.
«Und wenn sie eine Begine ist, glaubst du, dass sie die Gelegenheit verstreichen lassen würde, das Grab der heiligen Magdalena zu besuchen, der Gefährtin Jesu?», überlegte die Wirtshausmagd.
«Sie ist nicht seine Gefährtin gewesen. Der Herr Jesus hat keusch gelebt!», ereiferte sich Calixtus.
«Ja, ja, ich weiß, das hättet ihr gern! Sie ist sehr wohl seine Gefährtin gewesen und hat ihm sogar ein Kind geboren!», beharrte Louisa.
«Das ist nicht wahr! Sie ist nur eine Sünderin gewesen, die ihm die Füße gesalbt hat», rief der Mönch.
«Seine Gefährtin ist sie gewesen! Sie wurde zusammen mit Martha und Lazarus von den Juden auf einem Schiff ohne Segel ausgesetzt und ist hier bei Marseille an Land gekommen. Sie war es, die das Christentum in die Provence gebracht hat!»
«Ja, sicher, sie und die schwarze Sarah! Lächerlich! Lass dir sagen: Die
apostola apostolorum
ist in Ephesus gestorben.» Calixtus hieb mit der
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