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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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darauf. Sie hatte Hunger und musste sich beeilen, das Wichtigste einzukaufen, ehe der Marktaufseher die Stände schloss. Als sie sich endlich durchgefragt hatte, benötigte sie eine Weile, bis sie sich einen Überblick über all die Waren verschafft hatte. Das Angebot war größer als in München und sogar billiger, weil nur die Stadt selbst und nicht auch noch ein Herzog Steuern von den Händlern einzog. Langsam begann ihr das Einkaufen Freude zu machen, und bald hing ihr Korb immer schwerer am Arm.
    Auf einmal stand der Junge neben ihr, der sie bei ihrer Ankunft in Augsburg zum Fuggerhaus geführt hatte. »Wenn Ihr wollt, helfe ich Euch tragen«, bot er ihr an.
    Veva war klar, dass er auf eine ähnlich hohe Belohnung aus war wie bei ihrer Ankunft. Da sie noch einige andere Lebensmittel erstehen wollte, nahm sie sein Angebot mit einem Dankeswort an, machte aber deutlich, dass sie nicht vertrauensselig war. »Ich hoffe, du verschwindest unterwegs nicht mit meinen Einkäufen in den Gassen!«
    Da ihr Lächeln ihren Worten die Schärfe nahm, grinste der Junge und schüttelte heftig den Kopf. »Ich doch nicht! Ihr seid Gast bei Fürst Fugger, und den will ich wirklich nicht erzürnen!«
    Während Veva weiter einkaufte, erzählte der Junge ihr noch einiges über Augsburg. Sie erfuhr, dass mehr als ein Zehntel der Einnahmen der Stadt Augsburg aus Fuggers Truhen kam und der Kaufmann immer wieder den Kaiser sowie etliche Herzöge, Fürsten und auch hohe geistliche Herren beherbergte.
    »Jetzt ist mit diesem Cajetanus sogar ein echter Kardinal aus Rom bei ihm zu Gast. Der soll Doktor Martin Luther aus Sachsen zwiebeln, damit der seine Thesen wieder von der Wittenberger Pfarrkirche abreißt. Meine Freunde und ich wetten bereits, ob der Mönch sich beugen wird oder nicht.«
    »Ihr wettet Luthers wegen?« Veva war erstaunt, denn die Gassenjungen in München interessierten sich nicht für solche Dinge. Denen ging es meist darum, in welchen Gärten gerade die Früchte reif wurden und wie man die Leute, die diese bewachten, überlisten konnte. Die meisten kannten wahrscheinlich nicht einmal den Namen Luther. Ihr Begleiter aber tat so, als habe er bereits an religiösen Disputationen teilgenommen.
    Zu Hause angekommen verlor sich dieser Eindruck wieder, denn kaum hatte sie ihm einen Kreuzer in die Hand gedrückt, verließ er grinsend das Haus, und sie merkte erst hinterher, dass auch eine der unterarmlangen geräucherten Leberwürste verschwunden war.
    »Er ist also doch nur ein gewöhnlicher Lausebengel«, sagte sie sich und begann, ihr Abendessen zuzubereiten.
    Veva saß bereits am Tisch, als es an der Tür rumpelte. Verwundert, wer jetzt noch etwas von ihr wollte, stand sie auf und öffnete vorsichtig. Draußen stand ihr Ehemann.
    Er wirkte verärgert und trat wortlos an ihr vorbei ins Haus. Plötzlich aber schnupperte er und leckte sich die Lippen. »Du hast etwas gekocht? Das ist gut, denn ich habe seit heute Morgen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen!« Ohne ein weiteres Wort setzte er sich, schnappte sich ihren Napf und ihren Löffel und begann hungrig zu essen.
    Veva sah mit Bedauern, wie der nahrhafte Brei, den sie für sich zubereitet hatte, in seinem Mund verschwand. Da ihr Magen noch immer knurrte, holte sie einen Laib Brot, etwas Käse und eine der übrig gebliebenen Leberwürste aus der Speisekammer und hielt sich daran schadlos.
    Ernst kniff die Augen zusammen. »Esse ich etwa dein Abendessen auf?«
    Ja, das tust du, hätte Veva ihn am liebsten angefaucht, aber sie wollte den ersten gemeinsamen Abend nicht mit bösen Worten beginnen. »Es tut mir leid, dass ich nicht mehr gekocht habe, doch Fürst Fugger sagte, er hätte dich mit einem Auftrag fortgeschickt. Daher habe ich nicht angenommen, dass du heute noch zurückkehren würdest.«
    »Ich habe meinen Auftrag erfüllen können. Übrigens schmeckt dein Brei ausgezeichnet. Ich weiß nicht, ob wir da noch eine Köchin brauchen!« Es sollte ein Spaß sein, doch Ernst sah, wie sich Vevas Antlitz verdüsterte. Wenn sie ein eigenes Haus führte, war eine eigene Köchin unabdingbar.
    »Wie geht es eigentlich deinem Vater?«, fragte er in dem Bestreben, das Thema zu wechseln.
    »Er fühlt sich wohler als in der letzten Zeit. Es war wohl doch der Schmerz über Bartls Tod, der ihn aufs Krankenbett geworfen hat. Er lässt dich übrigens grüßen. Ob er dir einen Brief mitgeschickt hat, weiß ich jedoch nicht. Da musst du schon den Schwab fragen.« Nun galt Vevas Unmut mehr

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